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Immer mehr Bauprojekte platzen

Auf öffentliche Ausschreibungen im Kreis Bautzen melden sich kaum noch Bieter. Das liegt nicht nur am Bauboom.

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© Thorsten Eckert

Von Jana Ulbrich

Das hat es so noch nie gegeben: Öffentliche Auftraggeber schreiben Bauaufträge in Millionenhöhe aus – aber kein Unternehmen will sie haben. Im Kreis Bautzen platzt derzeit ein kommunales Bauvorhaben nach dem anderen – weil die Ausschreibungen ohne Bieter bleiben.

Prominentestes Beispiel ist gerade die sogenannte Hirschkurve in Ottendorf-Okrilla. Für 800 000 Euro wollte das Landesamt für Straßenbau und Verkehr (Lasuv) diese gefährliche Engstelle der Bundesstraße 97 ausbauen lassen. „Es ist das erste Mal, dass selbst ein so großer Auftrag ohne Zuschlag bleibt“, sagt Lasuv-Sprecherin Isabel Siebert. Sie bestätigt zudem, dass das kein Einzelfall ist, sondern dass es auch bei anderen Ausschreibungen für Straßenbauvorhaben keinen oder nur einen einzigen Bewerber gibt. Und dessen einziges Angebot übersteige nicht selten die Preisvorstellungen der Auftraggeber sogar bis auf das Doppelte, sagt Siebert.

Die Landesbehörde steht mit dieser Erfahrung längst nicht allein: Der Landkreis Bautzen wollte im Sommer für 1,6 Millionen Euro die Rettungswache in der Bautzener Flinzstraße sanieren lassen. Auch für diesen Auftrag hat sich keine einzige Baufirma interessiert. Ähnlich ergeht es der Stadt Bautzen, die die umfassende Sanierung des Bolbritzer Teiches ausgeschrieben hatte. Auch um dieses Bauvorhaben hat sich keine einzige Firma beworben.

Die Aufzählung der – vorerst – geplatzten Projekte ließe sich mit dem Neubau des Feuerwehrgerätehauses in Schirgiswalde fortsetzen oder dem geplanten Neubau einer Brücke in Malschwitz. In Königswartha hat der einzige Bieter den Zuschlag für die dringend nötige Sanierung der Sanitäranlagen in der Grundschule bekommen, obwohl Bürgermeister und Gemeinderäte das Angebot für überteuert halten.

Firmen kritisieren Vergabepraxis

Die Auftraggeber sehen die Ursache dafür, dass sie mit ihren Projekten nicht mehr zum Zuge kommen, vor allem im gegenwärtigen Bauboom. Die Auftragsbücher der Baufirmen sind voll, vermutet man beispielsweise im Landratsamt. Aber das ist offenbar nur die eine Seite der Medaille. Bauunternehmer aus dem Landkreis sehen da noch eine ganz andere: die Ausschreibungs- und Vergabepraxis selbst. Der Geschäftsführer einer großen Baufirma aus dem Landkreis, der darum bittet, seinen Namen in der Zeitung nicht zu nennen, macht das an einem brandaktuellen Beispiel deutlich.

Am 14. Juni hat der Landkreis die Ausschreibung für den Neubau einer Brücke in Radibor veröffentlich – ein sehr umfangreiches und sowohl planerisch als auch baulich sehr anspruchsvolles Projekt. Bis zum 29. Juni, 10 Uhr, müssen die Angebote im Landratsamt vorliegen. Der Firma blieben gerade zwei Wochen Zeit für die Planungen und Berechnungen eines schwierigen Bauvorhabens. Mitte Juli würde die Firma erfahren, ob sie den Zuschlag erhält. Ende Juli müsste sie mit den viermonatigen Bauarbeiten beginnen. In dem Fall müssten dann auch genügend Bauarbeiter kurzfristig bereitstehen. Und wenn der Auftrag nicht kommt, stehen die Bauarbeiter alle kurzfristig im Regen.

„Die Bauzeit ist auf die Fördermittel ausgerichtet und nicht auf die Baustelle“, sagt der Firmenchef. „Welcher seriöse Bauunternehmer lässt sich denn auf so etwas ein?“, fragt er. Er jedenfalls bietet da nicht mit. Andere Kollegen aus der Branche tun das nicht. „Wir haben unsere Beteiligung an öffentlichen Aufträgen schon seit 2015 nahezu komplett eingestellt“, sagt der Geschäftsführer eines weiteren großen Bauunternehmens aus dem Kreis, der ebenfalls nicht namentlich genannt sein möchte.

Die gute Seite: Die Löhne steigen

Sein Hauptgrund ist dabei vor allem die gängige Vergabepraxis an den billigsten Bieter. „Es dürfte doch hinlänglich bekannt sein, dass das weder für das Bauwerk noch für die Staatskasse förderlich ist“, sagt er. „Wenn sich nur noch wenige Bieter an den öffentlichen Ausschreibungen beteiligen, werden sich die Kosten für die Kommunen zwangsläufig erhöhen.“

Und weil das Baugewerbe auch auf dem privaten Sektor boomt, haben die Firmen aber auch ohne die öffentlichen Aufträge gut zu tun. Eine gute Seite hat das vor allem für die Mitarbeiter: Die Löhne steigen. Wie in anderen Branchen werden Fachkräfte auf den Baustellen überall dringend gesucht. Sie können sich den Arbeitgeber aussuchen, der besser bezahlt.