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„Ich habe meinen Job geliebt“

30 Jahre lang war er Sachsens oberster Bombenentschärfer und hat mehr als 300 Blindgänger unschädlich gemacht – jetzt geht Thomas Lange in Rente. Einen Nachfolger gibt es auch schon.

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© Jörn Haufe

Antje Steglich

Thomas Lange fühlt sich nicht als Held. Und er will auch kein Medienstar sein, obwohl er in diesen Tagen omnipräsent ist. „Ich habe einfach meinen Job gemacht“, sagt er mit Blick auf die vergangenen drei Jahrzehnte, in denen er den sächsischen Kampfmittelbeseitigungsdienst anführte. 366 Bomben hat er in dieser Zeit sachsenweit entschärft. Obwohl er sich da gar nicht ganz sicher ist, weil er einfach irgendwann aufgehört hat, zu zählen. Dass die 250 Kilogramm schwere englische Fliegerbombe, die Anfang Oktober bei Bauarbeiten in Dresden-Räcknitz gefunden wurde, seine Letzte gewesen sein soll, kann er selbst nicht fassen. Das Wort Rentner kommt Thomas Lange nur sehr schwer über die Lippen. „Mir tut es unendlich leid, wenn ich begreife, dass ich wirklich gehen muss. Ich habe den Job geliebt“, sagt er.

Viel lieber spricht er über seine Aufgaben für die nächsten Wochen. An der Sprengschule will er sein Wissen noch an die nächste Generation weitergeben, und vor Weihnachten hat er noch viel im Büro abzuarbeiten. Und dann ist er erst einmal ganz für Ehefrau Simone da. „Im Januar heißt meine erste Aufgabe vorrichten“, erzählt er. Doch er gibt sich höchstens zwei Wochen Ruhe. „Dann kommt eine neue Aufgabe“, ist er sich sicher. Er hat wohl viele Angebote aus der Branche. Welches er annimmt, das will er in den nächsten Wochen entscheiden – und vor allem erst einmal mit seinem Steuerberater besprechen. „Ich habe ja gar keine Ahnung, wie das alles funktioniert und was ich überhaupt nebenbei machen kann.“ Klar ist für ihn aber schon jetzt: „Für meine Kollegen bin ich immer da, die haben alle meine Nummer.“

Und so wirklich können auch die es noch gar nicht glauben, dass ihr Chef sich bald nicht mehr „überall reinhängt“. Die große Abschiedsfeier haben sie ihm schon zu seinem 65. Geburtstag ausgerichtet, erzählt Sprengmeister Holger Klemig. Denn da wollte Thomas Lange das erste Mal in Rente gehen. Doch er verlängerte noch zweimal – zumal noch Unmengen an militärischen Altlasten im sächsischen Boden schlummern. Allein 2015 rückten die 25 Mitarbeiter des Kampfmittelbeseitigungsdienstes zu 874 Einsätzen aus, entschärften 20 Bomben und bargen etwa 290 Tonnen Kampfmittel.

Für Thomas Lange soll nun aber endgültig Schluss sein. Anlässlich des Barbaratages – die Heilige Barbara ist die Schutzpatronin der Sprengmeister – feierte er am Donnerstag im Zeithainer Kirchgemeindehaus ganz offiziell seinen Abschied. Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) lobt ihn „als Helden, der wie kein Zweiter mit seinem Leben für die Sicherheit unserer Leben gewirkt hat“.

Polizeipräsident Jürgen Georgie beschrieb ihn als herzlich, geradlinig und manchmal ungestüm. Er sei ein Pfundskerl, zu dessen Lebenswerk nicht nur die Beräumung der Dippoldiswalder Heide von Kampfmitteln, sondern auch der Aufbau der europaweit einzigartigen und modernsten Kampfmittel-Zerlegeeinrichtung in Zeithain gehörte. Das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland trage er auf jeden Fall zu Recht – auch wenn er nicht immer die durch die Bürokratie vorgeschriebenen Wege gegangen sei. „Und dafür manchen Rüffel einstecken musste“, wie Thomas Lange grinsend ergänzt. Doch vielleicht ist er gerade deshalb so geschätzt bei Vorgesetzten wie Kollegen. Denn im Grunde ist Thomas Lange ein Dresdner Junge geblieben, der früh seinen Kaffee braucht, mittags Makkaroni mit Tomatensoße bevorzugt – und zwischendurch saure Gummibärchen oder eine f6.