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Holzfäller brechen Tabu im Nationalpark

Warum dürfen in der Kernzone Bäume umgesägt werden? Eine SZ-Leserin bekam eine erstaunliche Antwort.

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© Norbert Millauer

Von Gunnar Klehm

Kahlschlag! Ingrid Grosse traute ihren Augen kaum, als sie kürzlich zwischen Porschdorf und Goßdorf im Ochel-Gebiet unterwegs war. „Oberhalb des Holl-Lochs, das am Eingang zum Kohlichtgraben steil zur Ochel ansteigt, musste ich einen Kahlschlag von etwa 50 mal 30 Metern entdecken“, schrieb sie an die Sächsische Zeitung. Etwa 30 Baumstümpfe habe sie gezählt. Die Schnittflächen waren noch ganz frisch. Das ärgerte Ingrid Grosse. War doch gerade erst in der SZ zu lesen, dass in der Kernzone des Nationalparks keine Baumfällungen mehr vorgesehen seien. Vereinzelt seien nur noch Restarbeiten erforderlich. Ansonsten sei der Waldumbau abgeschlossen, der Wald könne sich selbst überlassen werden, teilte die Nationalparkverwaltung mit. Baumfällungen wären demnach in der Kernzone tabu.

Wie konnte es nun doch zu diesem Tabubruch kommen? Die Nationalparkverwaltung macht dafür den Borkenkäfer verantwortlich. In einer Reaktion auf Frau Grosses Frage wird mitgeteilt, dass die abgesägten Bäume von den Käfern befallen waren. Deshalb wurden sie abgesägt und gleich abtransportiert, um ein Ausfliegen des Käfers und einen Neubefall umstehender Bäume zu verhindern. Das Ganze sei bereits im Sommer geschehen.

Doch sollte der Borkenkäfer im Nationalpark nicht toleriert werden? Zumindest auf den Flächen, auf denen der Umbau abgeschlossen ist? Die Nationalparkverwaltung macht da eine Ausnahmeregelung geltend. Es geht um den Schutz von Privateigentum. Die vom Sächsischen Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft genehmigten Grundsätze der Waldbehandlung sehen die Bekämpfung von Borkenkäfern vor, wenn die betroffenen Flächen näher als 500 Meter am nächsten Privatwald sind. „Im Falle der genannten Ochel-Bäume war die nächste Privatwaldfläche 300 Meter entfernt“, erklärt Hanspeter Mayr, der Pressesprecher der Nationalparkverwaltung. Mit diesem Vorgehen könne ein Übergreifen des Borkenkäfers auf den Privatwald verhindert werden. Das entspreche im Übrigen auch dem Stand der Wissenschaft und Praxis in allen deutschen Nationalparks. „Der Grundsatz: Schutz des Privateigentums geht in diesem Fall über den Grundsatz: Keine Waldpflege in der Kernzone“, teilt Mayr mit.

Im Nationalpark Sächsische Schweiz führen die Revierleiter noch bis März weitere Waldpflegemaßnahmen durch. Davon betroffene Wanderwege werden so schnell wie möglich wieder freigegeben und unmittelbar nach Abschluss der Maßnahme repariert, so die Verwaltung.

Schon vor zwei Jahren hatte sich Ingrid Grosse über Holzeinschlag in der Kernzone oberhalb vom Kohlichtgraben gewundert. Damals waren die Polter genannten Holzlager noch lange am Waldrand bei Waitzdorf gestapelt. Diesmal wurden die Stämme dagegen sofort abtransportiert. Wie es eben bei Borkenkäferbefall erforderlich ist.

Traurig macht Ingrid Grosse jedoch, dass bei der Fällaktion einige kleine Weißtannen beschädigt wurden, die dort auf der Fläche stehen. Sie weiß, dass diese Tannen nur noch selten zu finden sind und nur schwer auf Freiflächen gedeihen.