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Hochzeit mit einer Unbekannten

Rico Rudolph, Standortchef in Hoyerswerda, hat genau das in einer Fernseh-Show getan. Gestern war das Finale zu sehen.

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© SAT.1/Christoph Assmann

Von Anja Wallner

Stellen Sie sich folgendes Szenario vor: Sie sind der Bräutigam, betreten das Standesamt, und im Trauungssaal blicken Sie, abgesehen von eigenen Verwandten und Freunden, nur in unbekannte Gesichter. Sie machen die Runde, stellen sich vor, schütteln zum ersten Mal der potenziellen Schwiegermutter die Hand. Dann geht die Tür auf, und die Braut kommt am Arm ihres Vaters herein. Die ersten Worte, die Sie beide austauschen: „Wie heißt du?“

Klingt nach einem etwas skurrilen Traum? Nicht unbedingt. Rico Rudolph hat es am 31. Juli dieses Jahres genau so erlebt. Das ist sein Hochzeitstag, und an eben jenem Tag hat er seine potenzielle zukünftige Frau zum ersten Mal getroffen. Der 36-Jährige hat an der inzwischen 3. Staffel der TV-Show „Hochzeit auf den ersten Blick“ teilgenommen, deren finale Folge gestern Abend in Sat 1 gelaufen ist. In der Aufzeichnung gestern ging es – sechs Wochen nach dem Ja-Wort – um die entscheidende Frage, ob das Paar tatsächlich auch weiterhin verheiratet bleiben will. Anderenfalls wird es wieder geschieden, mit Trennungsjahr und allem, was dazugehört. Insgesamt 5 000 Heiratswillige hatten sich bei Sat 1 beworben. Jeweils vier Männer und Frauen schafften es in die Sendung, die das alte Sprichwort „Drum prüfe, wer sich ewig bindet…“ komplett auf den Kopf stellt. Rico Rudolph, kräftig, groß gewachsen, früher aktiver Handballer, ist Niederlassungsleiter des im Gewerbegebiet Nardt ansässigen Unternehmens VOL Stahl. Was hat den ruhigen, umgänglichen Mann dazu bewogen, sich auf nach Senderangaben „Deutschlands größtes Liebesexperiment“ einzulassen? Abgesehen von der Tatsache, dass Rico Rudolph die „Richtige“ einfach noch nicht über den Weg laufen wollte, bewog ihn das unbekannte TV-Abenteuer und die psychologische Seite der „Blindhochzeit“ dazu, sich im Januar – erfolgreich – beim Sender zu bewerben. Denn der Pulsnitzer studiert nebenberuflich Wirtschaftspsychologie und hat nach eigenen Angaben durch die Show-Teilnahme in den vergangenen Monaten unglaublich viel gelernt. Er gibt zu, nur zufällig von der Sendung erfahren zu haben und dass er auch nicht damit gerechnet hatte, dass ein passendes „Gegenstück“ für ihn gefunden wird. Was nach der Bewerbung folgten, waren unzählige Gespräche und psychologische Testverfahren. Allein rund 2 500 Fragen zur Person und zum jeweiligen Traumpartner mussten die Kandidaten beantworten. Dabei wurde auch gleich geklärt, wie man sich die eigene Hochzeitsparty so vorstellt. Der Sender betraute Psychoanalytiker, Paar- und Sexualtherapeuten, Psychotherapeuten und einen sogenannten „Matching“-Experten mit der umfangreichen Durchleuchtung der Heiratswilligen. Dazu zählten auch Stimmtests und eine DNA-Analyse. Schließlich ist ja wichtig, dass die Chemie stimmt. Am Ende hatten die Experten die scheinbar passende Frau für den Single aus Sachsen gefunden: Romy aus Jena, 29 Jahre alt, tätig in der Altenpflege, aufgeschlossen, künstlerisch interessiert, bildschön mit hohen Wangenknochen und endlos langen, dunklen Haaren. Ein Schneewittchentyp. „Eine hübsche Frau“, so Rico Rudolphs erster Gedanke beim Anblick „seiner“ Braut. „Und dann habe ich erst mal die Zwerge gesucht“, fügt er schmunzelnd hinzu.

Die Trauungszeremonie konnte ein Millionenpublikum am Fernsehbildschirm mitverfolgen. Klingt fast paradox, wo doch Rico Rudolph über sich selbst sagt, keinen Riesentrubel zu brauchen. „Ich bin eigentlich ein ruhiger Typ, aber wenn man dann vor der Tür des Standesamtes steht und nicht weiß, was einen erwartet, ist man schon nervös“, schildert Rico Rudolph den Moment vor der Trauung.

Er selbst hatte nur einen einzigen Gast mitgebracht: seine Mama. Es gibt keine große Verwandtschaft und keinen großen Freundeskreis – und nicht jeder wollte vor die Kamera. Die Mutter nahm die Experimentierfreude ihres Sohnes scheinbar gelassen hin: „Sie kannte die Sendung und glaubte nicht, dass etwas Passendes für mich herauskommt.“

Ein „Ja“ fürs Fernsehen, das war natürlich nicht verpflichtend. Wer so gar nicht mochte, was da im Standesamt neben einem stand, der konnte „Nein“ sagen. Den Ja-Sagern wurde jedenfalls eine Hochzeit mit allem Pi-Pa-Po ausgerichtet. Romy wünschte sich als Auto einen alten Benz. Bekam sie, ebenso wie ihre Traum-Torte. Rico Rudolph sind solche Details nicht wichtig. Er schwärmt von dem Ort der Feier in Leipzig und davon, null Stress mit der Organisation gehabt zu haben. „Wir konnten uns ganz um uns kümmern.“

Diese arrangierte Form einer Beziehung kann funktionieren, ist Rico Rudolph überzeugt, jetzt, da er über ein halbes Jahr mit dem „Projekt“ gelebt hat. Er betrachtet es auch wissenschaftlich und meint, dass die Trefferquote noch besser werden kann. Seines Wissens nach sei nur ein Paar aus den vergangenen beiden Staffeln tatsächlich noch zusammen.

Wie sich Rico und Romy gestern Abend entschieden haben? Nun, sie haben zum zweiten Mal „Ja“ gesagt, wollen verheiratet bleiben. „Was ja auch logisch ist, wir verstehen uns blendend“, sagt der Bräutigam nach den wenigen Wochen gemeinsam gelebten Alltags. Er ist voll des Lobes über seine Frau, die er als „offenherzig, liebenswürdig und empathisch“ beschreibt.

Rico Rudolph hat die Sendung gestern übrigens genauso gespannt verfolgt wie jeder andere Zuschauer auch. Denn was von den vielen Stunden aufgezeichneten Filmmaterials tatsächlich gezeigt wurde, das hatte er vorher nicht gewusst.

Mehr zur Show, ganze Folgen und Ausschnitte unter: www.sat1.de/tv/hochzeit-auf-den-ersten-blick