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Himmelfahrt mit Frack und Zylinder

Für elf Herren aus Bischofswerda ist der Männertag Kult. Wenn doch alle so friedlich feiern würden!

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© Gregor Jockwitz

Von Jana Ulbrich

Zuerst geht’s wie jedes Jahr zu Norbert auf den Friedhof. Norbert ist schon vor elf Jahren gestorben, aber im Geiste gehört er immer noch dazu. Die Männer bringen Norbert ein Vaterunser und einen Schnaps. Das ist so Ritual. Es würde ihn sicher freuen, wenn er das wüsste. „Wer weiß, vielleicht weiß er es ja“, sagt Gregor Jockwitz schmunzelnd. Er ist Norberts Bruder und einer der Mitbegründer des Bischofswerdaer „Männertagsvereins“. Seit Norbert gestorben ist, sind sie zu elft. Es kommt selten vor, dass mal einer fehlt.

1976, vor 40 Jahren, sind die Herren das erste Mal losgezogen am Himmelfahrtstag, in den ersten Jahren sogar mit dem Pferdewagen. „Wir mussten zu DDR-Zeiten ja immer Urlaub nehmen“, erzählt Richard Voltz, heute mit 63 der Älteste in der Runde. Immer schon im Januar hat er den Urlaub eingereicht, damit es nicht so auffiel. Solche Herrentagstouren waren ja nicht gerne gesehen damals. Trotzdem hat die Truppe eisern zusammen- und auch durchgehalten. Auch nach der Wende, seit Christi Himmelfahrt für die Ostdeutschen wieder ein Feiertag ist. „Unsere Frauen haben kein Problem damit“, sagen die Männer.

Ihre Tour folgt einem langjährigen Ritual. Das beginnt schon mit der Kleiderordnung: schwarzer Anzug und Zylinder und eine Blume am Revers. Heutzutage gibt’s das ja zum Glück alles bei Ebay oder auf dem Flohmarkt. Die „Mitgliedsausweise“ sind ausgestellt auf Lebenszeit.

Bieranstich ist pünktlich früh um halb acht. Gleich danach geht’s zu Norbert und dann auf eine mindestens 15 bis 20 Kilometer lange Wanderung durchs Oberland – immer mal zu anderen schönen Ausflugszielen. 11 Uhr ist Frühstück. Seit die Männer da mal im strömenden Regen gestanden haben, laden sie sich bei jemandem an der Strecke ein. „Er muss nur Kaffee kochen“, versichert Richard Voltz, „alles andere bringen wir mit.“ Spätestens 18 Uhr ist Schluss. Um diese Zeit müssen die Männer alle wieder zu Hause sein. Ehrenwort!

Den mittlerweile gesetzten Herren geht es nicht ums Betrinken, betont Richard Voltz. Das Bierfass auf dem selbst gebauten Handwagen ist mit den Jahren ohnehin immer kleiner geworden. „Es ist der Zusammenhalt, und es ist die schöne Tradition“, sagt Gregor Lockwitz, der in den 40 Jahren kein einziges Mal gefehlt hat. „Es war immer lustig und friedlich“, sagt er.

Wenn doch alle so friedlich feiern würden! Dann hätten die diensthabenden Notärzte in den Krankenhäusern wahrscheinlich weniger zu tun. Dann müssten die Polizeibeamten am Feiertag auch nicht mit erhöhtem Personalaufwand planen. „Wir werden auch an diesem Donnerstag wieder verstärkt im Einsatz sein“, kündigt Tobias Sprunk von der Görlitzer Polizeidirektion an. Er nennt es „lageangepasst“. Und die Lage am Himmelfahrtstag wird vor allem durch übermäßigen Alkoholgenuss bestimmt, weiß der Polizeisprecher, auch wenn es sich seit Jahren immer mehr durchsetzt, dass die Himmelfahrtsausflügler in Familie unterwegs sind.

Tobias Sprunk kündigt für den Donnerstag schon mal eine verstärkte Streifentätigkeit an „ausgewählten“ Orten und verstärkte Alkoholkontrollen an. „Wenn sich jemand unter Alkohol ans Steuer setzt, dann hört der Spaß auf“, sagt der Polizeisprecher. Ein Spaß ist der Himmelfahrtstag für die Polizei ohnehin nicht. Im vorigen Jahr mussten die Beamten allein im Landkreis Bautzen 230-mal zu Einsätzen ausrücken. Unter anderem wurden 22 Körperverletzungen und 15 Sachbeschädigungen angezeigt. Rund 130-mal wurden die Polizisten gerufen, um irgendwo einen eskalierten Streit zu schlichten. Zur Tagesbilanz gehörten herausgerissene Leitpfosten und ein demoliertes Buswartehäuschen. „Es war ein ganz normaler Männertag“, so die Einschätzung der Polizei am Tag danach.

Richard Voltz und Gregor Jockwitz können da nur den Kopf schütteln. Sie werden am Donnerstag wieder alle zusammen losziehen – ganz friedlich und zünftig mit Frack und Zylinder. Woher das eigentlich kommt, das Wandern am Männertag? Die beiden zucken mit den Schultern: Egal!

Was feiern wir am Donnerstag eigentlich?

Dem christlichen Glauben nach ist Jesus am 40. Tag nach seiner Auferstehung als Sohn Gottes zu seinem Vater in den Himmel zurückgekehrt. Das Fest der „Himmelfahrt“ wird demnach jedes Jahr 39 Tage nach dem Ostersonntag gefeiert – und fällt deshalb immer auf einen Donnerstag.