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Hilfe für Suizidgefährdete muss bekannter werden

Selbsttötungen können verhindert werden. Die Angebote sind vielfältig.

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© Symbolfoto: dpa

Von Thilo Alexe

Sachsens Sozialministerin Barbara Klepsch (CDU) ist sich sicher: „Suizid oder Suizidversuche dürfen in der Öffentlichkeit kein Tabu sein. Nur so sind Prävention und Aufklärung möglich.“ Mit Blick auf den Welttag der Suizidprävention an diesem Sonnabend betont Klepsch, das Thema werde viel zu häufig verdrängt. Im Jahr 2014 verloren nach Angaben der Ministerin 643 Menschen in Sachsen ihr Leben durch Selbsttötung. Damit sei die Zahl derer, die durch Suizid starben, höher als die Zahl der Verkehrs- und Drogentoten sowie der Verbrechensopfer zusammen.

Sachsen nimmt damit einen traurigen Spitzenplatz in Deutschland ein. Auf 100 000 Einwohner kommen nach Angaben des statistischen Landesamtes rechnerisch 15,9 Suizide. Damit ist die Rate im Freistaat höher als im Bund. Deutschlandweit sterben derzeit jährlich rund 10 000 Menschen den sogenannten Freitod. 2014 waren es 10 209.

Wie kann das verhindert werden? Ministerin Klepsch nennt eine Vielzahl von Maßnahmen. Wer sich mit Selbsttötungsabsichten trägt, geht kurz vor der Tat oft mehrfach zum Arzt – allerdings sind die Suizidgedanken häufig selbst für erfahrene Mediziner nicht erkennbar. Klepsch spricht sich für eine regelmäßige Weiterbildung für Helfer wie Ärzte und Therapeuten aus. Weiterer Punkt ist das Bekanntmachen von Hilfsangeboten. Dazu zählen etwa sozialpsychiatrische Dienste in den Großstädten Dresden, Chemnitz und Leipzig sowie den sächsischen Landkreisen.

Zudem helfen regionale Bündnisse gegen Depression. In Wurzen etwa bietet die psychosoziale Kontakt- und Beratungsstelle Unterstützung an. Zudem existieren Selbsthilfegruppen, die häufig über die Rathäuser erreichbar sind. An der Dresdner Uniklinik arbeiten Experten in der Arbeitsgruppe Suizidforschung zusammen.

Ein Angebot hebt die Sozialministerin hervor. Es wird von der Caritas betrieben und richtet sich an junge Menschen. Wer sich in einer Krise befindet, kann sich online unter u25-dresden.de an die Helfer wenden. Die Ehrenamtlichen haben eine Ausbildung durchlaufen und sind selbst noch junge Erwachsene.

Gibt es Bevölkerungsgruppen, die stärker suizidgefährdet sind als andere? Ein Blick in die Statistik zeigt, dass in Sachsen deutlich mehr Männer (2014: 480) als Frauen (163) ihrem Leben selbst ein Ende setzten. Besonders gefährdet sind offenbar die 45- bis 65-Jährigen. In dieser Altersgruppe nahmen sich im vorvergangenen Jahr 236 Sachsen – Männer wie Frauen – das Leben. Bei den über 75-Jährigen waren es 176.

Gründe für Suizid im Alter können die Angst vor einer langen Krankheit, aber auch Einsamkeit sein. Selbsthilfegruppen können Abhilfe schaffen, das Bundesgesundheitsministerium weist zudem auf die Möglichkeiten der Palliativ- und Hospizmedizin hin.

Das bedeutet allerdings nicht, dass junge Menschen ungefährdet sind. 125 Sachsen im Alter zwischen 15 und 45 begingen 2014 Suizid. Den stärksten Anstieg gab es in der Altersgruppe der 35- bis 55-Jährigen, wie die Gesundheitsexpertin der Linksfraktion im Landtag, Susanne Schaper, mitteilt. Die Ursachen, sagt sie, können vielfältig sein: „Meist jedoch sind psychische Erkrankungen der Grund, welche durch Leistungsdruck, Existenzängste und Stress ausgelöst oder verstärkt werden.“

Die Linkenabgeordnete fordert die Stärkung der gemeindepsychiatrischen Dienste. Dazu seien Mittel im kommenden Doppelhaushalt nötig. Schaper verweist auf die Wartezeit für eine ambulante Psychotherapie. Derzeit liegt sie in Sachsen bei rund zehn Wochen.

Ministerin Klepsch spricht sich für die Bündelung bestehender Angebote aus. In den vergangenen 25 Jahren sei es gelungen, die Suizidrate annähernd zu halbieren. Selbsttötung sowie der Versuch dazu dürfe nicht als Schwäche oder gar Verrücktheit stigmatisiert werden, sagt die sächsische Sozialpolitikerin. „Ein Wandel solcher Vorurteile öffnet Wege für eine bessere Prävention und Versorgung suizidgefährdeter Menschen.“