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Heult der Motor, schläft die Müdigkeit

Marlon Gregur ist der schnellste Pocket-Biker Deutschlands. Doch der neunjährige Radebeuler muss wohl nun eine Pause einlegen.

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© Matthias Rietschel

Von Alexander Hiller

Marlon Gregur ist ein ganz normales Kind. Das mittags auch mal müde ist. Doch wenn Papa Ralf dieses kniehohe Gefährt aus dem Kofferraum seines Autos packt, ist selbst diese herrliche Mittagsschläfrigkeit flugs vergessen.

Marlon Gregur hat kein alltägliches Hobby. „Racen“ nennt das der Radebeuler mit einem breiten Lächeln. Und ist im Grunde genommen gehobener Motorrad-Rennsport für Kinder. Und Marlon ist landesweit einer der Besten. Wenn nicht sogar der Schnellste. Der zierliche Sachse ist mit 1,30 m Körpergröße im wahrsten Sinne des Wortes ein Rennfloh. Schon vor dem letzten von sieben Rennwochenenden der Saison stand Marlon Gregur als Gesamtsieger im ADAC-Pocket-Bike-Cup in der GRC-Wertung fest. Damit ist er gewissermaßen deutscher Meister. Keiner beherrscht das knapp 21 Kilogramm schwere und auf 3,5 PS gedrosselte Einheits-Maschinchen namens GRC Midi RXM so scheinbar spielerisch leicht wie Marlon – der zweitjüngste Starter im Teilnehmerfeld.

Im Winter geht es aufs Eis

Vor zehn Tagen feierte er seinen neunten Geburtstag. „Der Marlon“, erzählt der Papa stolz, „war schon mit dem Laufrad unentwegt und unerschrocken unterwegs. Ich denke, diese Begabung ist ihm irgendwie gegeben.“ Anders können sich die Eltern die Überlegenheit ihres Sprösslings nicht erklären. Kein Wunder also, dass Marlon in Dresden lernt – an der 16. Grundschule „Josefine“ – eine Lehreinrichtung, die sich vor allem der spezifischen Begabungsförderung verschrieben hat. Motorsport ist freilich nur eines der Gregur’schen Talente. Der Knirps spielt außerdem Schlagzeug und bei den Eishockey-Bambinis der Dresdner Eislöwen.

Irgendwann, so erzählt es Ralf Gregur, habe Marlon dann auf dem Spartensender Eurosport mal ein Rennen der Motorrad-Profis gesehen und beschlossen: „Das will ich auch.“ Das ist erst knapp zwei Jahre her. Die Ersparnisse von Gregurs Eltern reichten, um dem jüngsten Mitglied der fünfköpfigen Familie diesen Wunsch zu erfüllen. 2 400 Euro kostet so ein Pocket-Bike in der Neuanschaffung, knapp die doppelte Summe eine ganze Saison. „Wir bekommen vom ADAC Sachsen die Startgebühr gefördert. Diese Unterstützung handhaben die Landesverbände des ADAC aber unterschiedlich“, erklärt Ralf Gregur. Die Meisterprämie von 300 Euro nimmt sich dagegen eher karg aus.

Womit man wieder beim schnöden Mammon wäre. Der ist in der Welt des Motorsports unvermeidlich, selbst bei Piloten in Marlon Gregurs Alter. Denn der Erfolg des kleinen Sachsen bringt seine Eltern in eine Bredouille. „Die jeweils ersten beiden der Gesamtwertung dürfen in der nächsten Saison nicht mehr in dieser Klasse starten“, erklärt Ralf Gregur, der als Diplom-Ingenieur für elektrische Energietechnik bei einem großen regionalen Unternehmen arbeitet. Marlon, der für den AMC Sachsenring fährt, müsste also zwangsläufig in eine höhere Kategorie aufsteigen – den ADAC-Mini-Bike-Cup.

Dort würde er auf seinen Widersacher Lennox Lehmann treffen. Den zehnjährigen Dresdner hat Gregur schon einige Male besiegt. „In der neuen Klasse wiegt die Maschine 70 Kilogramm, die kann Marlon gar nicht halten“, sagt Ralf Gregur. „Angst hatte ich aber noch nie. Noch nie“, wirft sein Sohn ein. Mama Cornelia kann die Sorge aber nie ganz ausblenden. „Das ist immer dabei. Aber ich vertraue auf die Fähigkeiten von Marlon“, sagt die angestellte Zahnärztin.

Familienbedürfnisse gehen vor

Die Familie müsste aber einen hohen vierstelligen Betrag in die Neuanschaffung respektive die neue Saison investieren. „Wenn jetzt nicht ein Wunder geschieht“, betont Ralf Gregur beinahe pathetisch, „dann ist es wahrscheinlicher, dass wir das nächste Jahr nutzen, um uns als Familie nervlich und finanziell zu erholen.“ Die Geschwister Magdalena und Kilian haben schließlich auch Bedürfnisse.

Marlon muss wohl auf die Erweiterung seiner Pokal-Schrankwand noch warten. Oder schneller wachsen. Dass sich der neue ADAC-Meister durch eine Zwangspause den Spaß an seinem liebsten Hobby verderben lassen könnte, steht nicht zu befürchten. Sobald der Motor seiner Maschine aufheult, wird Marlon scheinbar ein außergewöhnlicher kleiner Kerl, der selbst die Müdigkeit verdrängen kann.