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Heimatschützer verbreiten Angst

Die Meißner Rechtsextremisten begrüßen im Internet Gewaltaufrufe gegen Andersdenkende.

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© Claudia Hübschmann

Von Peter Anderson

Meißen. Der Mann mit dem Glatzkopf-Profil nimmt bei Facebook kein Blatt vor den Mund: „Filmt und fotografiert die Gesichter der Asyl-Befürworter“, schreibt er auf der Seite der rechtsextremen Initiative „Heimatschutz“ (IHS) aus Meißen. Ausdrücklich wird von ihm in diesem Zusammenhang Buntes-Meißen-Aktivist und Piraten-Kreisrat Sören Skalicks erwähnt.

Wofür Fotos von Skalicks gebraucht würden, erläutert er in einem weiteren Beitrag: Die Asyl-Befürworter sollten im „privateren Kreis mit Nachdruck“ dazu gebracht werden, ihre Position zu überdenken. „Ich hoffe, Ihr versteht, was ich mit Klarmachen und Nachdruck ausdrücken will“, schreibt der Mann mit dem Glatzkopf -Profil weiter. Eines deutlicheren Hinweises auf eine Tracht Prügel bedarf es wohl kaum.

Zu finden ist der Aufruf zur Gewalt vom 31. Oktober, 11.05 Uhr, auf der Facebook-Seite der Initiative „Heimatschutz“. Die Meißner Rechtsextremisten dulden solche Hass-Ausbrüche nicht nur. Sie setzten sogar einen Gefällt-mir-Daumen darunter und erklären ihr Einverständnis mit dieser Hetze gegen Andersdenkende.

Kreisrat Skalicks bekennt angesichts solcher öffentlicher Drohgebärden ganz offen: Ja, er habe Angst um seine Familie. Nur einer von hundert rechtsextremen Spinnern müsse einen solchen Aufruf ernst nehmen. Schon könne es zu einer Gewalttat kommen.

Entgleisungen werden dokumentiert

Dabei sind die jederzeit im Netz nachzulesenden Anwürfe gegen Skalicks noch die harmlosesten Einträge auf der „Heimatschutz“-Seite. Die Beobachter von „Meißen-Watch“ haben sich die Aufgabe gestellt, sämtliche Entgleisungen zu dokumentieren. So lässt sich nachlesen, wie Uwe Helm aus Freital einen Beitrag über den Flüchtlingszug durch Südosteuropa mit folgendem Satz kommentiert: „Durchladen und ab dafür. Löst das Problem final.“

Mittlerweile scheinen die schlimmsten Ausbrüche dieser Art von der Seite entfernt zu sein. Andreas Vorrath, der viele Jahre für die Bündnisgrünen im Kreis gearbeitet hat, führt dies darauf zurück, dass die Initiative „Heimatschutz“ sich seit mehreren Monaten immer weiter an die im Landtag vertretene Alternative für Deutschland annähert. Die AfD unterstützt die Kundgebungen der selbst ernannten Heimatschützer regelmäßig mit Technik und organisatorischer Hilfe. Erklärtes Ziel der Alternative ist es, solche freien Initiativen an die Partei zu binden und daraus Kapital für die nächsten Wahlen zu schlagen, analog zu früheren Strategien der NPD.

Mit diesem Ziel vor Augen würde auf der Facebook-Seite der IHS verstärkt versucht, Auswüchsen Einhalt zu gebieten und Kommentatoren zu beschwichtigen, so Vorrath. Allerdings wird allein an der Wortwahl deutlich, dass IHS-Aktivisten wie die Meißnerin Nancy Kanzok ein rechtsextremes und rassistisches Weltbild pflegen. So werden in einem Beitrag vom 1. November, gegen 22 Uhr, neu ankommende Asylsuchende in Meerane als „Invasoren“ bezeichnet. Blockierer hätten diese aufhalten wollen. Die Polizei habe auf die Blockierer „eingeknüppelt“

Im Meißner Land hat die aufgeheizte Situation eine breite Debatte ausgelöst. Leo Lippold vom Kulturkreis Scharfenberg sagte gestern gegenüber der SZ (komplettes Interview auf Seite 19): „Zur Lösung von Problemen oder globaler Konflikte können Hass und Hetze nicht beitragen, im Gegenteil. Aber unser aller Lebensqualität wird sich signifikant ändern.“ Sie werde vergiftet, ordinär, gewalttätig, wie man schon jetzt beobachten könne. Wir erlebten einen zivilisatorischer Rückfall, den sich die Gesellschaft, die Menschheit überhaupt, nicht mehr leisten dürfe, nicht mehr leisten könne, so Lippold.

Der Meißner Mathe-Doktor Norbert Herrmann hat vor diesem Hintergrund eine Meißner Erklärung verfasst und sammelt dafür Unterschriften. „Wir erklären hiermit öffentlich, dass wir unsere liebenswerte Stadt auch weiterhin als weltoffen, tolerant und gastfreundlich gegen jedermann erhalten wollen. Fremdenfeindlichkeit und Rassismus dürfen auch zukünftig nicht unser gemeinsames Handeln bestimmen.“