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Harvester beseitigt Chaos auf S 89

Die Räumarbeiten nach Sturmtief „Friederike“ kamen beschwerlich voran. Bis eine Maschine als Unterstützung anrückte.

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© Lutz Weidler

Von Kevin Schwarzbach

Riesa. Die Straße sieht aus, als hätte das Sturmtief „Friederike“ in Heidehäuser Domino gespielt. Alle paar Meter liegt ein Baum quer über der S 89, die Lichtensee und Nieska miteinander verbindet und direkt durch die Gohrischheide führt. Die hat der Orkan vom vergangenen Donnerstag schwer getroffen. Erst ein Flug mit der Drohne über das Waldgebiet zeigt das wahre Ausmaß: Mancherorts sind reihenweise Bäume umgekippt, stellenweise gibt es mehr liegende als stehende. Die Straße ist auf rund drei Kilometern komplett dicht, die Bäume türmen sich teils meterhoch übereinander. Gleich am Freitag hat ein Team um Revierförster Stefan Müller an der Räumung der Straße gearbeitet. Doch weit kamen die Männer nicht.

Umgeknickt. Wie Streichhölzer wurden vor allem die Nadelbäume umgeknickt. An der Straße zwischen Lichtensee und Nieska hat es wohl 80 Prozent der Bäume getroffen
Umgeknickt. Wie Streichhölzer wurden vor allem die Nadelbäume umgeknickt. An der Straße zwischen Lichtensee und Nieska hat es wohl 80 Prozent der Bäume getroffen © Lutz Weidler
.Nacharbeit. Der Harvester holt die großen Stämme von der Straße, die kleineren Äste werden aber von Stefan Müller (re.) und Ralf Kästner in Handarbeit beseitigt.
.Nacharbeit. Der Harvester holt die großen Stämme von der Straße, die kleineren Äste werden aber von Stefan Müller (re.) und Ralf Kästner in Handarbeit beseitigt. © Lutz Weidler
Freigegeben. Auch dank der Hilfe der privaten Waldbesitzer kann die S89 schon wieder freigegeben werden – seit Sonntag rollt der Verkehr.
Freigegeben. Auch dank der Hilfe der privaten Waldbesitzer kann die S89 schon wieder freigegeben werden – seit Sonntag rollt der Verkehr. © Lutz Weidler

Wo mit Menschenkraft nicht mehr viel auszurichten ist, muss die Maschine ran. Am vergangenen Sonnabend hält am frühen Morgen ein Lkw direkt vor der Absperrung. Geladen hat er einen sogenannten Holzvollernter. Der rollt von der Rampe und macht sich sofort an die Arbeit. Das Gerät, das aussieht wie ein Bagger mit Greifarm, schnappt sich den ersten Baum. Es packt den Stamm, zerrt ihn von der Straße an den Rand, entfernt dabei die Äste und zerkleinert anschließend den Stamm in Stücke von etwa einem Meter. Es dauert kaum drei Minuten, bis der Harvester seine Aufgabe erledigt hat und zum nächsten umgewehten Baum rollt.

Stefan Müller, zuständig für das Naturschutzgebiets-Revier Gohrischheide und Elbniederterrasse Zeithain, atmet tief durch. Die Folgen des Sturmtiefs verlangen ihm derzeit reichlich Arbeit ab. Dementsprechend froh ist er über den gelungenen Einsatz der Holzerntemaschine. „Man sagt, dass ein Harvester zehn Waldarbeiter ersetzt. So ein Gerät legt natürlich ein ganz anderes Tempo an den Tag.“ Doch es ist auch teuer. Mit rund 500 000 Euro beziffert Stefan Müller die Anschaffungskosten. „Das können sich nur wenige Förster leisten, da das Gerät dann quasi das ganze Jahr laufen muss, um sich zu rentieren.“

Die Maschine, die sich am Sonnabendvormittag durch das Chaos auf der S 89 arbeitet, hat Stefan Müller über einen guten Kontakt ordern können. Während die Technik, geführt vom privaten Forstdienstleister Ralf Kästner, arbeitet, kann sich der junge Förster um eine der unzähligen anderen Aufgaben kümmern, die ihm der Sturm aufgebürdet hat. Sich einen Überblick über sein 3 100 Hektar großes Forstrevier verschaffen, Schäden aufnehmen, Maßnahmen einleiten. Und überall sind Menschen unterwegs, die etwas von ihm wissen wollen. Waldbesitzer, die um ihre umgewehten Bestände trauern, und fleißige Helfer, die mit anpacken wollen.

Doch gerade Letztere muss Stefan Müller warnen. Viele bieten ihm nach Stürmen an, umgeknickte Bäume wegzuschneiden. „Die Leute meinen es wirklich gut, aber sie unterschätzen die Spannungen im Holz. Wenn jemandem beim Schneiden ein Stamm durch Spannungslösungen unter das Kinn kracht, kann das tödlich enden.“ Auch seine Mitarbeiter und der Harvester können nicht alles beseitigen. „In die kampfmittelbelasteten Gebiete kann ich niemanden reinschicken, da bleiben die Bäume liegen“, erklärt Müller. „Das Holz, das wir beispielsweise von der Straße holen, geht in die hiesige Industrie.“

Mittlerweile hat Stefan Müller den ersten Schock verdaut. Der Mann, der schon mit sieben Jahren Förster werden wollte, hatte am Donnerstag auch mit den Gefühlen zu kämpfen. „Ich bin Förster mit Leib und Seele. Da leidet man schon innerlich, wenn man die ganzen Bäume sieht.“ Doch Zeit für Befindlichkeiten blieb ihm nicht, sofort ging es an die Aufräumarbeiten. Oberste Priorität hat dabei die Freigabe der S 89. Der Harvester arbeitet sich emsig vorwärts, während Müller über die Räumung der Straße spricht. Anfang nächster Woche soll die Straße wieder freigegeben werden, letztlich wird es sogar schon Sonntagmittag.

Doch auch danach bleibt viel zu tun. Erst wenige Tage vor dem Sturm hatte der Förster Bäume markiert, die aus Krankheitsgründen gefällt werden sollen. Doch statt hierbei Hilfe zu leisten, wehte „Friederike“ genau jene Bäume nicht um. „Die Bäume haben aufgrund ihrer Krankheit keine Nadeln oder Blätter mehr und bieten somit weniger Angriffsfläche als ein gesunder Baum“, erklärt Müller. Dass generell so viele Bäume fielen, führt der Förster auf die regenreiche Zeit in den letzten Wochen zurück. Dadurch war der Boden aufgeweicht und bot den Wurzeln keinen Halt. Der Harvester schnappt sich das nächste Opfer, schleppt es von der Straße und macht Holzsalat aus ihm. Die Straße wird langsam wieder erkennbar.