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Hans Modrow auf Zeitreise

40 Jahre DDR auf vier Etagen. Das DDR-Museum Radebeul ist nach eigenen Angaben bundesweit die größte Sammlung dieser Art. Am Freitag schaute Hans Modrow vorbei.

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© dpa

Von Jörg Schurig

Radebeul. Als der Linke-Politiker Hans Modrow am Freitag durch das DDR-Museum in Radebeul schreitet, hört er auch die Stimme seines früheren Chefs. Worte Erich Honeckers tönen aus einem Lautsprecher. Der war als FDJ-Oberster einst Vorgesetzter von Modrow, der im Zentralrat der Freien Deutschen Jugend saß. Auch in Modrows späteren Funktionen hatte im Grunde immer Honecker das letzte Wort. Bis zur Wende. Dann wurde er gestürzt und Modrow als Regierungschef zum Mann der Stunde.

Modrow mit Simone und Thomas Walther aus Eisenach.
Modrow mit Simone und Thomas Walther aus Eisenach. © Norbert Millauer
Modrow kennt die DDR und ihr Innenleben genau. Immer wieder erzählt er Details.
Modrow kennt die DDR und ihr Innenleben genau. Immer wieder erzählt er Details. © Norbert Millauer

Hans Modrow hat sie alle gekannt, ob nun DDR-Präsident Wilhelm Pieck, Ministerpräsident Otto Grotewohl oder Walter Ulbricht, den Vorgänger Honeckers an der Parteispitze. Von allen hängen Konterfeis an der Wand, auch Honeckers Biografie „Aus meinem Leben“ betrachtet Modrow. Mittlerweile hat er unter dem Titel „Ich wollte ein neues Deutschland“ selbst sein Leben zu Papier gebracht. Für Museumsdirektor Hans-Joachim Stephan ist er ein besonderer Gast. Von ihm erhofft er sich authentische Eindrücke aus berufenem Mund.

Sitzpause in DDR-Couchgarnitur

Viel erklären mus Stephan seinem Gast nicht. Modrow kennt die DDR und ihr Innenleben genau. Immer wieder erzählt er Details und ergänzt Stephans Erklärungen. Auch Besucher des Museums erkennen in dem 87-Jährigen jenen Mann, der von Herbst 1989 bis Frühjahr 1990 die Geschicke der DDR leitete - bis es zur freien Parlamentswahl kam. Simone Walther und ihr Mann Thomas sind aus Eisenach angereist und sprechen den Politiker an. Später nehmen sie in einer originalen Couchgarnitur aus DDR-Zeiten Platz und tauschen ein paar Erinnerungen aus.

Die Walthers haben erst vor kurzem ihr letztes Möbelstück aus DDR-Zeiten aussortiert. Gekauft vom zinslosen Ehekredit, mussten sie den Kredit nach dem Ende der DDR noch einige Zeit in D-Mark abzahlen. Den Besuch im DDR-Museum empfinden sie als eine Zeitreise. Dieses Wort gilt den Radebeulern als Slogan. „Man sieht seine eigene Kindheit wieder“, sagt Thomas Walter und zeigt auf alte Spiele, Küchengeräte, Möbel oder Lebensmittel „made in GDR“. Nur die eigenen Kinder könnten mit all dem heute nichts mehr anfangen.

Schulklassen sind eine Besuchergruppe, über die sich Stephan besonders freut. Auch wenn Westdeutsche in die Ausstellung kommen, fühlt sich der Museumsdirektor in seiner Mission bestärkt. Denn viele wüssten viel zu wenig über die DDR, sagt der frühere Bauamtsleiter, der selbst aus dem Westen stammt: „Viele können sich gar nicht vorstellen, was es in der DDR alles gab.“ Stephan will bei seinen Besuchern nicht nur nostalgische Gefühle wecken, sondern informieren. Auf einer Zeittafel sind wichtige Daten der DDR-Geschichte notiert.

Auch Tom Hanks war schon da

Manchmal taucht Hans-Joachim Stephan so weit in die ostdeutsche Seele ein, dass er sogar sprachliche Eigenheiten annimmt, beispielsweise als er Modrow von Besuchern „aus dem NSW“ erzählt. Das Kürzel steht für Nichtsozialistisches Wirtschaftsgebiet oder kurz für den Westen. Auch viele Besucher aus den Niederlanden, der Schweiz oder Belgien kommen in das DDR-Museum. 2011 war sogar Hollywood-Star Tom Hanks hier. Er nutzte eine Drehpause in Sachsen, um sich die Sammlung in Radebeul anzusehen. Hanks selbst sammelt vor allem Schreibmaschinen.

Demnächst will Stephan seine rund 60 000 Exponate umfassende Schau erweitern. Eine Frau überlässt ihm ihre DDR-Apotheke samt Medikamenten von damals. Modrow ist vom Herangehen der Radebeuler an die DDR-Geschichte angetan. Viele Museen sähen sich heute vor die Frage gestellt, dem Zeitgeist zu folgen oder sich an Fakten zu orientieren. Dass Radebeul die letztere Variante gewählt hat, freut den Politiker. Hier sieht er die Deutsche Demokratische Republik gut aufbewahrt. (dpa)