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Hallo Oma!

Beziehungen zu den Enkeln funktionieren heute oft übers Internet – bei einer Riesaer Familie sogar bis in die USA.

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© Sebastian Schultz

Von Britta Veltzke

Die Omi ist beim Frühstück, auf dem Nachhauseweg von Kita oder in der Badewanne mit dabei – nicht immer, aber an fast jedem Tag wird Kerstin Karl zwischendurch aus der Ferne dazu geschaltet. Manchmal spielen Enkelin und Großmutter auch Mensch-ärgere-Dich-Nicht. 6 000 Kilometer liegen dann zwischen ihnen. Die 57-Jährige lebt in Riesa – Tochter Claudia Topplep und Enkelin Emma im US-Bundesstaat Maine. Und doch haben Oma und Enkelin ein inniges Verhältnis – der Technik sei Dank.

„Wir nutzen sehr häufig Facetime übers Smartphone“, erklärt Kerstin Karl. Mittels einer Kamera überträgt das Handy nicht nur die Stimme der Fernomi, sondern auch ihr Gesicht. „Aber nicht nur das“, sagt Tochter Claudia Topplep, die sich mit der kleinen Emma die Zeit für ein virtuelles Treffen mit der SZ genommen hat. „Wir können uns so auch live Dinge zeigen. Ich schalte Mutti zum Beispiel dazu, wenn ich in der Umkleidekabine stehe. Dann frage ich sie nach ihrer Meinung zu einem neuen Kleidungsstück. Für uns ist das inzwischen ganz normal.“

Vor Kurzem haben sich Claudia Topplep und ihr Mann René, der ebenfalls aus Riesa stammt, ein neues Haus gekauft. Kerstin Karl kennt bereits jeden Winkel – obwohl sie noch nicht selbst dort war. Der nächste USA-Besuch steht erst im Sommer wieder an.

Auch Hannelore Weiß kennt das neue Haus bereits. Die 78-Jährige ist die Mutter von Kerstin Karl – und demnach die Großmutter von Claudia Topplep und die Urgroßmutter von Emma. Während die Tochter von Hannelore Weiß allen technischen Errungenschaften gegenüber sehr offen eingestellt ist, musste sich die Seniorin erst überzeugen lassen, einen Computer zu nutzen. Doch heute ist sie froh, dass ihr der Ehemann ihrer Enkelin den neuen Laptop eingerichtet hat, bevor das Paar 2009 in die USA auswanderte.

Hannelore Weiß hat sogar Volkshochschulkurse für Senioren besucht, um den Umgang mit dem Computer zu lernen. „Das hat aber rein gar nichts gebracht. Da wurde einem die Technik dahinter vermittelt. Aber das interessiert mich ja gar nicht. Mich interessiert nur, wie ich sie nutzen kann.“ Und das hat sie auch geschafft. Einfach durchs Ausprobieren – oder: Learning by doing – wie ihre Urenkelin Emma vermutlich sagen würde.

Die Vierjährige wächst in der Wahlheimat ihrer Eltern zweisprachig auf. Claudia Topplep hatte zu Schulzeiten ein Jahr in Maine verbracht – und war so angetan, dass sie ihren Mann später überzeugen konnte, mit ihr auszuwandern. Zu Hause spricht die junge Familie deutsch – außerhalb der eigenen vier Wände englisch. „Manchmal hat Emma keine Lust, deutsch zu sprechen. Zum Beispiel, wenn sie gerade aus der Kita kommt und den ganzen Vormittag nur Englisch gesprochen hat“, erzählt Kerstin Karl. Inzwischen komme die Kleine aber sehr gut mit der Zweisprachigkeit klar und könne problemlos zwischen beiden Sprachen differenzieren.

Kerstin Karl will keinen Entwicklungsschritt ihrer Enkelin Emma verpassen. Mindestens einmal im Jahr treffen sie sich auch – ganz in echt, entweder in Riesa oder in den USA. Manchmal tue es ihr natürlich auch leid, dass sie nicht „mal eben“ hinfahren kann. „Andere nehmen ihre Enkel einfach mal mit in den Urlaub. Das geht bei uns ja leider nicht“, sagt Kerstin Karl. Doch die Fernomi hat sich mit der Situation arrangiert. „Es ist mir vor allem wichtig, dass es meinen Kindern gut geht – und wenn das in den USA ist, dann ist das eben so. Ich kenne es ja quasi nicht anders.“

Emma wurde in Maine geboren – die erste echte US-Amerikanerin der Familie. Kerstin Karl freut sich darüber, dass die Technik es ihr trotzdem ermöglicht, so unmittelbar am Leben von Tochter und Enkelin teilhaben zu können.

„Die Zeitverschiebung nervt natürlich schon etwas. Daher sind wir auch froh, wenn der Unterschied zur Abwechslung mal ’nur‘ fünf Stunden beträgt“, sagt Kerstin Karl. Etwa drei Wochen im Jahr ist das so – denn die US-Amerikaner stellen ihre Uhren zur Sommerzeit eher um als die Deutschen.