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Die Lebenslügen des Markus B.

Im Prozess um die Ermordung von Anneli erklärt der Rechtsmediziner, wie die Schülerin ums Leben kam.

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© Robert Michael

Von Thomas Schade

Der Schwabe Markus B. ist anscheinend im Lügen sehr geübt, im Morden ist er es nicht. Denn es wurden drei Werkzeuge verwendet, um die Unternehmertochter Anneli Riße zu töten. Markus B. ist vor dem Dresdner Landgericht angeklagt, die Schülerin entführt und ermordet zu haben.

Ob er allein mit allen drei Mordwerkzeugen zugange war, oder ob sein mitangeklagter Komplize Norbert K. bei der Tötung beteiligt war, das konnte bei der gerichtsmedizinischen Untersuchung des Opfers nicht festgestellt werden, so der Dresdner Rechtsmediziner Uwe Schmidt am Freitag. Zu sehr war Annelis Leiche bereits von Fäulnis gezeichnet, als sie dreieinhalb Tage nach ihrem Tod gefunden wurde.

Auch der genaue Todeszeitpunkt lasse sich nicht mehr feststellen, so Schmidt. Aus den bisherigen Ermittlungen ergibt sich, dass Anneli am Mittag des 14. August 2015 nicht mehr am Leben war. Das Mädchen war am Vorabend dieses Tages auf einem Feldweg von den beiden Angeklagten entführt worden, etwa einen Kilometer vom Elternhaus entfernt.

Fest steht für den Sachverständigen, dass die 17-Jährige erdrosselt wurde. Bei der Obduktion seien zwei Kabelbinder gefunden worden, die um Annelis Hals lagen. Über den Kabelbindern sei zudem ein Spanngurt um ihren Hals geschlungen gewesen. Die Drosselung hätte zum Tod durch Ersticken führen können, so der Gutachter. Er könne auch nicht widerlegen, dass die Tötung damit begonnen hat, dass Markus B. seinem Opfer eine Plastiktüte über den Kopf gezogen hat. Das hatte der Mitangeklagte Norbert K. in seinem Geständnis geschildert. Insgesamt, so der Gutachter, stimme das Ergebnis der gerichtsmedizinischen Untersuchung mit Norbert K.s Schilderungen weitgehend überein.

Was war mit dem Äther?

Unklar bleibt, welche Rolle der Äther bei der Tat spielte. Die Beweisaufnahme hatte ergeben, dass Markus B. das Betäubungsmittel besorgt hatte. Die Untersuchungen hätten jedoch keinen Nachweis erbracht, dass Anneli Äther verabreicht worden war. Der Gutachter verwies darauf, dass es sich dabei um einen sehr flüchtigen Stoff handele, der nach mehreren Tagen praktisch nicht mehr nachweisbar sei.

Anneli war ihrem Mörder wehrlos ausgeliefert. Mit Kabelbindern an Händen und Füßen gefesselt, saß sie auf einem Stuhl mitten in der Scheune des Bauernhofes in Lampersdorf bei Wilsdruff, auf dem Markus B. jahrelang mit Frau und Kindern gelebt hatte. Nach dem Mord wurde die Leiche entkleidet, aus der Scheune etwa zehn Meter weit zu einer Mauer getragen und mithilfe einer Leiter darüber bugsiert. Dahinter fand ein Polizist sie später.

Noch am selben Abend amüsierte sich Markus B. mit einem Freund auf dem Dresdner Stadtfest und kehrte erst am folgenden Morgen nach Lampersdorf zurück. Das geht aus der Auswertung des Mobilfunkverkehrs der beiden Angeklagten hervor, über den eine Kriminalbeamtin am Freitag Auskunft gab. Demzufolge hatte sich Markus B. vor der Tat ein sogenanntes Prepaid-Handy zugelegt und beim Kauf den Namen Helmut Meyer und eine erfundene Adresse angegeben. Vermutlich um keinen Verdacht zu erregen, hatten beide Angeklagten ihre persönlichen Handys in Lampersdorf gelassen, als sie Anneli am Abend des 13. August in ihre Gewalt brachten.

Wochenlange Vorbereitung

Den Angaben der Kriminalbeamtin zufolge ging Markus B. noch am selben Abend mit seinem Handy ins Internet und googelte Stichworte wie: Tod durch Ersticken, Tod durch Plastiktüte. Wenig später suchte er auf den Internetseiten des MDR und der Polizei, ob Annelis Verschwinden schon bekannt ist. Schon Wochen vor der Tat hatte Markus B. im Internet Informationen über Entführungsfälle gesammelt, er hatte im Netz nach Anneli gesucht und auch nach ihrer Mutter, die für ihn wohl auch als Entführungsopfer infrage kam. Am 27. Juli drückte B. den „Gefällt mir“-Button auf dem Facebook-Profil von Annelis Vater. Allein aus den Handydaten geht hervor, dass ihn Annelis Entführung wochenlang beschäftigt hatte.

Mit Markus B. sitzt ein trauriges Phantom auf der Anklagebank, das wohl auch deshalb schweigt, weil sein bisheriges Leben auf unzähligen Lügen aufgebaut ist. Dieser Eindruck entsteht nach den Aussagen zweier weiterer Zeugen von der Dresdner Kripo, die zu den persönlichen Lebensverhältnissen der Angeklagten ermittelt hatten. Dabei stellte sich heraus, dass der heute 40-jährige Schwabe offenbar bei fast allen Behörden und Ämtern gelogen und betrogen hat. Um Steuern zu sparen, gab er beim Finanzamt Meißen einen langjährigen Gefängnisaufenthalt an, den es nie gegeben hat. Beim Einwohnermeldeamt in Klipphausen meldete er sich nach Spanien ab, wo er der Polizei zufolge nie war. Bei der Rentenversicherung und beim Arbeitsamt legte er Abschlüsse einer Hotelfachschule und der Uni Mannheim vor. Nachfragen der Kripo in den Einrichtungen ergaben, dass man Markus B. dort nicht kennt. Sogar seine Prahlerei, er sei in der Rockerbande Gremium MC und als Waffenhändler und Zuhälter unterwegs gewesen, haben die Beamten überprüft. Auch das stimme nicht, so die Beamtin. „Vielleicht kennen wir nicht mal sein Geburtsdatum“, sagte ein Beobachter. Der Prozess wird am 8. August fortgesetzt.