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Großer Bahnhof mit Old Shatterhand

Das Wetter machte das Schmalspurbahn-Festival zum schwierigsten in seiner Geschichte. Trotz vieler neuer Angebote.

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© Norbert Millauer

Von Ulrike Keller

Radebeul. Oh“ raunt es durchs Abteil, als Old Shatterhand den Waggon betritt. Der Romanheld mit Bärenkrallen am Hals und Revolver am Gürtel erhält einen Begrüßungsapplaus. Während die Lößnitzgrundbahn in Radebeul-Ost losschnauft, folgen ihm die Passagiere abenteuerlustig in das Amerika um 1860.

Familien konnten sich in Radebeul-Ost im Draisinefahren ausprobieren – wie Opa Ullrich Spevacek mit seinen Enkeln Marie und Malte.
Familien konnten sich in Radebeul-Ost im Draisinefahren ausprobieren – wie Opa Ullrich Spevacek mit seinen Enkeln Marie und Malte. © Norbert Millauer
In Moritzburg begeisterten DDR-Fernsehlieblinge wie Brummkreisel-Achim im Kinderprogramm auf der Bühne. Mit den vielen Attraktionen für junge Besucher wollen die Veranstalter schon bei den Kleinen Interesse am Eisenbahnern wecken.
In Moritzburg begeisterten DDR-Fernsehlieblinge wie Brummkreisel-Achim im Kinderprogramm auf der Bühne. Mit den vielen Attraktionen für junge Besucher wollen die Veranstalter schon bei den Kleinen Interesse am Eisenbahnern wecken. © Norbert Millauer

Roland Wichmann alias Dr. Karl May und Old Shatterhand berichtet von seiner ersten – und darum lebensgefährlichen – Büffeljagd und davon, dass er ursprünglich dabei helfen sollte, die Trasse der Großen Western-Eisenbahn zu vermessen. Wodurch er also sogar einen näheren Bezug zur Bahn hat. Und so verwandelt die „Schmetternde Hand“ am Wochenende besondere Touren der Lößnitzgrundbahn in lebendige Westernfahrten.

Die kleine Marie lauscht jedem Wort Old Shatterhands. Das Schmalspurbahn-Festival besucht sie mit Brüderchen Malte und ihren Großeltern Petra und Ullrich Spevacek aus Sörnewitz. Vor der Abfahrt haben sie sich in Radebeul-Ost auf der Draisine versucht. „Eigentlich war es ganz schön leicht“, erklärt die Achtjährige. Ihr Opa ist schon seit seiner Jugend von Dampfzügen angetan – und der Technik, die die Stahlrösser zum Leben erweckt. Zu seiner Freude teilt diese Leidenschaft auch schon sein vierjähriger Enkel Malte.

Die Zugbegleitung durch Old Shatterhand gehört zu den Neuheiten des zwölften Festivals. Auf die Beine stellen es an den drei Standorten Radebeul, Moritzburg und Radeburg die vier Veranstalter Sächsische Dampfeisenbahngesellschaft (SDG), Verkehrsverbund Oberelbe, Traditionsbahn Radebeul und Kulturbahnhof Radeburg.

Was die rund 60 Mitwirkenden dieses Jahr wie nie zuvor um Besucher zittern lässt, ist das Wetter. Weil es am Sonnabendvormittag Stunden regnet, sind die ersten drei, sonst vollen Züge nur zaghaft besetzt. Doch dann kommen die Gäste.

Auch im Schlepptau von Old Shatterhand. Als die Bahn das Rote Haus passiert und sich der Dippelsdorfer Teich als Kulisse auftut, rufen die Passagiere staunend im Spontanchor: „Der Silbersee“. Darsteller Roland Wichmann berichtet inzwischen, ohne seine Rolle zu verlassen, aus dem realen Leben der Indianer. Er erzählt, dass die Kinder – auch die Mädchen – schon im Alter von vier Jahren Pfeil und Bogen bekommen und damit jeden Tag zu üben haben. Und dass sie auch gut reiten können müssen. Freihändig, um dabei mit Pfeil und Bogen zu hantieren. Mit sechs Jahren gibt es darum für jeden das erste Pony. Die großen Augen der kleinen Marie verraten: Dieses Glück der Indianerkinder beeindruckt sie am meisten.

Das gab es noch nie

Ankunft in Moritzburg. Einige fahren gleich mit Old Shatterhand zurück, um Teil zwei seiner Geschichten zu erfahren. Marie und Malte hingegen zieht es mit ihren Großeltern auf das Bahnhofsgelände mit all seinen Ständen und der Bühne.

Dort haben die Veranstalter für die zwei Tage kostenfreie Angebote für Kinder organisiert, wie es sie zu keinem der vergangenen elf Schmalspurbahn-Festivals gab. Bastel- und Schminkstände sowie Shows mit Lieblingen aus dem DDR-Kinderfernsehen, Clowns, Zauberern, Tänzern und einer Künstlerin der Ballonmodellage setzen immer wieder neue Höhepunkte. „Wir versuchen, das Programm gerade für die Kleinen jedes Jahr noch abwechslungsreicher zu gestalten“, sagt SDG-Eisenbahn-Betriebsleiter Mirko Froß. Eisenbahnfeste hätten ursprünglich gar nichts mit Kindern zu tun gehabt. „Aber damit wollen wir das Interesse am Eisenbahnern wecken“, verrät Froß mit Blick auf den Nachwuchs in seinem Berufsfeld. „Es gibt heutzutage nur noch wenige, die sich dreckig machen wollen.“

Bei Malte kann er sich Hoffnung machen. Durch Opa Ullrich aus Sörnewitz weiß der Steppke schon, dass Geruch und Geräusch von Dampfloks etwas ganz Besonderes sind. Und im Winter wird zusammen an der Modelleisenbahn gebaut.

Im Moment verfolgen sie den Auftritt von Brummkreisel-Achim aus dem DDR-Kinderfernsehen. Er begeistert mit Pantomime, lustiger Zauberei und Wortspielen zum Mitmachen. „Äußerlich hat er sich nicht groß verändert“, so Ullrich Spevacek.

Angenehm findet er, dass sich für den Sonnabendnachmittag der Wetterbericht täuscht. Dennoch schwärmen deutlich weniger Besucher als sonst aus. Keine 8 000 bis 10 000 am Wochenende wie stets in den vergangenen Jahren, sondern nur 6 000.

Old Shatterhand ist trotzdem äußerst zufrieden mit seinem Zugpublikum. Er fühlt sich genau richtig bei diesem Festival.

Die Westernfahrten mit Old Shatterhand werden fortgesetzt – jeden Sonnabend und Sonntag um 12.56 Uhr ab Radebeul-Ost und um 13.33 Uhr ab Moritzburg.