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„Gott segne Sachsenland“

Die Junge Union singt eine Sachsenhymne. Die Linke spöttelt. Und die Stadt Großenhain sieht eine Chance. Ein Land sucht ein Lied.

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Von Birgit Ulbricht

Als Bundespräsident Joachim Gauck vor wenigen Tagen in München Station machte, wurde er mit der Nationalhymne begrüßt und – natürlich mit der Bayernhymne. Doch was, wenn Gauck nach Dresden kommt? Selbstverständlich wird die Nationalhymne intoniert, heißt es aus dem Büro von Ministerpräsident Stanislaw Tillich. Mit einem Lied aller Sachsen können die Dresdner allerdings nicht aufwarten. Es gibt keine offizielle Hymne.

Aber Lieder gibt es genug. Exakt 102 hat die Sächsische Staatskanzelei im Jahr 1995 zusammengetragen. Darunter „Sachsen, du mein Heimatland“, „Aus den Wettinern wurden Sachsen“, „Weißgrün ist deine Farbe“ und „Wo im Elbtal wächst am Hang der Meißner Wein“. Das wohl bekannteste Lied ist der Schlager „Sing, mei Sachse, sing“ von Jürgen Hart. Doch gerade diese unüberschaubare Vielzahl an Texten und Melodien ist einer der Gründe, weshalb es nie zu einer Hymne reichte. Computergesetzte Werke und handgemalte Noten reichten die Bürger Anfang der 1990er-Jahre in der Staatskanzlei ein, als noch die Euphorie bestand, den Sachsen ein eigenes Lied zu geben. Peter Gnauke, Pädagoge, Meißner und begeisterter Sachse, hat dieses Mühen miterlebt – und sein Scheitern. „Es hat viele Versuche gegeben, am Ende sind alle versandet“, sagt Christoph Kunze, Vorsitzender der sächsischen Posaunenmission.

Auch er hatte sich vergeblich darum bemüht, eine neue Hymne zu etablieren. Der Geschäftsführer des Sächsischen Musikrates, Torsten Tannenberg, sieht heute auch mit etwas Abstand auf diese Bemühungen zurück. „Die Zeit ist vielleicht einfach vorbei dafür – die meisten Sachsen würden die Diskussion um eine eigene Hymne wohl als ziemlich künstlich empfinden“, so Tannenberg. Trotzdem würde er sich freuen, wenn es irgendwann doch ein echtes Sachsenlied gäbe. „Doch das muss von unten kommen.“ Der Meißner Peter Gnauke hat all die Jahre nie aufgegeben. Er hat an die Staatskanzlei geschrieben, sich mit Musikern und Chorleitern unterhalten. Umso mehr freut ihn, dass die Junge Union im Landkreis Meißen jetzt das Thema aufgegriffen hat. Sie hat beschlossen, das Lied „Gott segne Sachsenland“ vor jeder Veranstaltung zu singen. Unterstützt werden sie dabei vom Großenhainer CDU-Landtagsabgeordneten Sebastian Fischer. Der Tag der Sachsen 2014 in Großenhain wäre auch eine gute Gelegenheit, die Hymne einer breiteren Öffentlichkeit vorzustellen.

Das Ganze hat postwendend bei Sozialdemokraten und Linken für Spott gesorgt. So empfahl der Radebeuler SPD-Stadtrat David Schmidt, in die aus dem 19. Jahrhundert stammende Hymne eine neue Strophe aufzunehmen. Diese sollte die Union preisen. Die Großenhainer Linke schlug vor, lieber das Lied „Wo ist mein Geld bloß geblieben“ von Helga Hahnemann zu singen. Das wäre angesichts der erhöhten Energie- und anderer Kosten lebensnäher. Woraufhin Johannes Fiolka, der Chef der Jungen Union, konterte, die Linke habe mangelnden Patriotismus zur Schau gestellt. Doch das allein ist es nicht. Der Großenhainer Komponist und Chorleiter Stefan Jänke gibt zu bedenken: „Einen Text zu finden, der in der heutigen Zeit passt, ist eine Aufgabe, die ich für fast unlösbar halte. Den Spagat zwischen Tradition und Progress zu finden, ist das Problem. Weniger die Melodie.“ Auch Torsten Tannenberg vom Sächsischen Musikrat glaubt, der christliche Text passe nicht in unseren heutigen Alltag. Dass die Junge Union ausgerechnet die Jubel-Ouvertüre zu Ehren des 50-jährigen Regierungsjubiläums König Friedrich Augusts I. ausgesucht hat – das ist vielen doch zu königstreu.

Dass der Text sogar zur Melodie der englischen Nationalhymne „God save the Queen“ gesungen wird, beschert den Christdemokraten nun wiederum Ärger bei den eigenen Konservativen. Die hätten lieber eine eigene, deutsche Melodie.