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Goethes Comeback

Das berühmte Zitat „Mein Leipzig lob’ ich mir …“ kehrt an den Brühl im Zentrum der Messestadt zurück. Dahinter steckt ein Vater-Sohn-Projekt.

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© Thomas Kretschel

Von Sven Heitkamp, Leipzig

Stolze 40 Jahre lang leuchteten die meterhohen Schriftzüge aus Neonröhren gegenüber dem Leipziger Hauptbahnhof: „Mein Leipzig lob’ ich mir …“ und „Willkommen in Leipzig“. Die geschwungenen, farbigen Buchstaben waren eine Visitenkarte der Stadt in Büchern, Kalendern und auf Postkarten. 2007 jedoch, als die Wohnblöcke am Brühl abgerissen wurden, die sie bis dahin getragen hatten, verschwand auch die berühmteste Leuchtreklame der Stadt in der Versenkung.

So leuchtete bis 2007 auf einem Hochhaus in Leipzig der Reklameschriftzug „Mein Leipzig lob‘ ich mir…“ neben dem Schattenriss-Bildnis des jungen Johann Wolfgang von Goethe.
So leuchtete bis 2007 auf einem Hochhaus in Leipzig der Reklameschriftzug „Mein Leipzig lob‘ ich mir…“ neben dem Schattenriss-Bildnis des jungen Johann Wolfgang von Goethe.

Zehn Jahre später bahnt sich nun ein Comeback des berühmten Goethe-Zitats aus dem „Faust“ und der viersprachigen Willkommensgrüße an: Nach jahrelangem juristischem Tauziehen sollen die Sprüche auf dem Dach des heutigen Einkaufszentrums „Höfe am Brühl“ neu erstrahlen. Die aufwendige Sanierung bewerkstelligt die Lichttechnik-Firma Caralux um Betriebsleiter Uwe Leuthäußer – er ist der Sohn jenes Mannes, der die berühmten Neonröhren 1967 hergestellt hat.

Die Spur führt nach Neukieritzsch im Süden von Leipzig. In einem dunklen, alten Stall einer früheren LPG zwischen Zwenkau und Borna finden sich die einstigen Leuchtkörper wieder: Verstaubt, rostig und matt stapeln sich die Einzelteile auf 400 Quadratmetern und harren ihrer Auferstehung. Wer sie zum Leuchten bringen will, muss die Stalltüren weit aufschieben. Eine Speditionsfirma hatte die Schriftzüge nach der Demontage 2007 in der Halle eingelagert, eigentlich nur für kurze Zeit. Denn der Betreiber des Einkaufszentrums am Brühl hatte sich verpflichtet, die Leuchtschriften wieder aufzurichten.

Dazu kam es lange Zeit nicht: Manager des Marriott-Hotels nur wenige Meter gegenüber der „Höfe“ fürchteten um den Schlaf der Gäste. Man wehrte sich mit Einsprüchen und Klagen gegen die leuchtende Neu-Installation, der Streit ging bis vors Oberverwaltungsgericht. Erst voriges Jahr, als das Gebäude an die TLG Immobilien als neuen Eigentümer verkauft wurde, kam es zu einer einvernehmlichen Lösung: Nun ist vereinbart, „Mein Leipzig lob’ ich mir …“ und „Willkommen in Leipzig“ zum Innenstadt-Ring hin leuchten zu lassen – an der schmalen Seite zum Hotel jedoch die Lichter ab 22 Uhr auszuschalten. Diskutiert wird noch, ob wieder Leuchtstoffröhren oder sparsamere LEDs eingesetzt werden. Uwe Leuthäußer würde gern das alte Neon verwenden, weil es eine vielfältigere Farbpalette und stärkere Leuchtkraft ermöglicht – und weil es originalgetreu wäre, so wie es sein Vater vor 40 Jahren gebaut hat.

Herbert Leuthäußer hatte damals in der Produktionsgenossenschaft des Handwerks (PGH) für Neontechnik und Anlagenbau, die wegen der Messe aus Ilmenau nach Leipzig gezogen war, die Schrift mit erstellt. „Mein Vater hat viele Spuren in der Stadt hinterlassen“, sagt Uwe Leuthäußer, ebenfalls gelernter Apparateglasbläser. Dazu gehörten auch die bekannte Löffelfamilie, das Doppel-M der Leipziger Messe sowie die Schriftzüge am Hauptbahnhof und am Astoria-Hotel. Heute ist sein Vater 90 Jahre alt, aber noch rüstig. Der einstige Neonglasbläser sei richtig aufgeblüht, als klar wurde, dass der prominente Leipzig-Schriftzug wieder aktiviert wird, erzählt sein Sohn. „Man ist schon ein bisschen stolz.“ Nun müsse er mit großer Detailverliebtheit an die Arbeit gehen – wie bei der Sanierung eines alten Autos. „Es reden ja so viele Leute drüber.“

Es liegt ein gehöriges Stück Arbeit vor der Firma Caralux: Drei Kilometer sind die Röhren lang, wenn man sie aneinander legt. Die Schriftzüge mit den etwa vier Meter hohen Buchstaben erstrecken sich zusammen auf über 100 Meter. Alle Röhren müssen demontiert, innen gereinigt und neu befüllt werden. Zudem werden die Fassungen aus Zinkblech abgeschliffen, grundiert und neu lackiert. Voraussichtlich im Herbst, wenn die Entscheidung über Neon oder LED getroffen ist und alle Pläne fertig sind, sollen die Arbeiten beginnen. Sie werden mindestens ein halbes Jahr dauern, schätzt Leuthäußer.

Seine Firma Caralux mit Sitz in Lemsel zwischen Leipzig und Delitzsch hat sich heute auf LED-Technik spezialisiert, sie rüstet unter anderem Tankstellen und Raststätten aus – saniert aber nach wie vor alte Neontechnik-Anlagen. 80 Mitarbeiter gehören zur Firmengruppe, rund 40 Mitarbeiter sind es am Hauptsitz in Lemsel. Dort werden bald auch die Logos mit dem Leipziger Stadtwappen und dem Konterfei Goethes komplett rekonstruiert. Die Schriftzüge sollen auch neue Röhren mit Glas aus Italien erhalten. „Es wird wohl die letzte große Anlage“, sagt Leuthäußer, „die noch in Deutschland errichtet wird.“