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Görlitz sagt noch nicht „Gute Nacht“

Viele haben die kontroverse Diskussion über Görlitz im Internet verfolgt – auch der OB. Jetzt sagt er, warum ihn das anspornt.

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Von Daniela Pfeiffer

Laure Teillet erinnert sich noch gut an ihr erstes Wochenende in Görlitz. Obwohl das schon sechs Jahre her ist. Damals war die junge Französin frisch zum Studium an die Neiße gekommen. „Hier war so viel los, so viel anzugucken. Aber ich konnte mich ja nicht zerteilen“, sagt sie. Auch heute stehe sie oft genug noch vor der Qual der Wahl. Eine Ausstellungseröffnung hier, ein guter Kinofilm da, eine Party dort. „Für die Größe der Stadt ist in Görlitz vergleichsweise viel los“, findet Teillet.

Laure Teillet ehemalige Studentin aus Frankreich
Laure Teillet ehemalige Studentin aus Frankreich

Mit dieser Meinung steht sie nicht allein da. Hunderte hatten auf der Internetplattform Facebook vergangene Woche die Neißestadt verteidigt, nachdem eine Ex-Görlitzerin dort über Görlitz hergezogen war. Die Stadt sei tot, daran könnten auch Hollywood-Dreharbeiten nichts ändern. Eine Rentnerstadt, die sie hasse. Zwar hatte sich die heutige Berlinerin nach den massenhaften Kommentaren, die daraufhin folgten, entschuldigt. Doch die Diskussion bleibt. Sie ist schon länger in der Stadt.

Aber ist es wirklich so, dass Görlitz allmählich Gute Nacht sagen kann? Dass hier nichts für die Jugend getan wird, dass es wenige Perspektiven, kaum Jobs gibt, keine Einkaufsmöglichkeiten? Mandy Kriese findet, dass genau das Gegenteil der Fall ist. Die junge Frau ist Mitarbeiterin der Europastadt GmbH und vor einiger Zeit mit ihrem kleinen Sohn nach Görlitz gezogen. „Wir fühlen uns sehr wohl hier“, sagt sie. Für Familien sei die Stadt „richtig Klasse“. Es gebe genug Kindergärten, die auch alle zu Fuß gut erreichbar seien. Genau wie beispielsweise Arzt oder Supermarkt. „Das erzähle ich auch immer unseren potenziellen Investoren“, sagt Mandy Kriese. Doch sie räumt auch ein: „Sicher ist Görlitz für jemanden aus Dresden, Leipzig oder Berlin nicht so attraktiv, aber unsere Stadt etwa mit Berlin zu vergleichen ist unfair.“

Gerade in letzter Zeit sei zudem viel passiert, das die Aussage, die Stadt sei tot, eindeutig widerlege. „Spätestens seit der Oberbürgermeister das Jugendzentrum angeschoben hat, geht es vorwärts. Überhaupt hat sich das Klima sehr gewandelt, es wird viel getan. Ob es genug ist, kann ich noch nicht einschätzen“, so Mandy Kriese.

Dass solche Themen im Internet kontrovers diskutiert werden, gefällt Mandy Kriese, die auch aus dienstlichen Gründen oft bei Facebook ist. Schließlich hat auch die Europastadt GmbH einen Auftritt dort, um die Dinge in Görlitz zu verfolgen und sich Anregungen zu holen. „Ich war beeindruckt, wie viele Görlitzer auf die Äußerung der jungen Frau reagiert haben“, sagt Mandy Kriese. In der Tat hatte die Diskussion um die 800 Kommentare.

Das ist auch dem OB-Büro nicht verborgen geblieben. „Ich habe die Diskussion im Internet wahrgenommen“, sagt Siegfried Deinege. „Eine lebhafte Debatte in unserer und um unsere Stadt ist eine gute Sache. Ich freue mich genauso über Bürger, die selber auf teilweise überkritische Darstellungen unserer Stadt reagieren, wie über sachliche Kritik und Hinweise für Lösungen.“ In der aktuellen Debatte wurden genau die Themen angesprochen, die er sich bei seinem Amtsantritt vorgenommen hatte: Die Stadt attraktiver und familienfreundlicher zu machen. „Mein Hauptaugenmerk lag von Anfang an auf genau diesen Themen: Einkaufsmöglichkeiten, Berzdorfer See, Werk 1, Ausbildungs- und Arbeitsplätze gemeinsam mit der Wirtschaft schaffen“, so der OB. „Die Diskussion bei Facebook bestätigt mich in der Wahl dieser Themen. Sie sind die Basis meiner Arbeit.“

Laure Teillet ist schon jetzt zufrieden mit Görlitz. „Wir haben hier so viel. Etliche Kneipen, mehrere Museen, drei Kinos! Welche Stadt dieser Größe kann das schon von sich behaupten?“ Sie komme aus einer 120 000 -Einwohner-Stadt in Frankreich und würde nicht sagen, dass dort mehr los ist, so Teillet. „Es gefällt mir hier. Ich wüsste nicht, warum ich weg sollte.

Wie sehen Sie Ihre Stadt, liebe Leserinnen und Leser? Kann man in Görlitz schlecht einkaufen, kaum ausgehen, keinen Job finden? Oder ist es auch für Sie der beste Ort zum Leben – mit vielen Möglichkeiten in allen Bereichen? Wir freuen uns über Ihre Meinung.

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