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Görlitz an Kanada: Nicht mit uns!

Tausende demonstrierten am Sonnabend, um gegen den Stellenabbau bei Bombardier zu protestieren – eine klare Kampfansage.

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© nikolaischmidt.de

Von Daniela Pfeiffer

Görlitz. Bilder sagen immer noch mehr als Tausend Worte. Dachte sich wohl die Blondine, die mit einem Krönchen im Haar als „MissManagement“ erschien. Neben diesem Wort auf ihrer Schärpe: ein Totenkopf.

Sie war eine von etwa 2 500 bis 3 000 Menschen – so Schätzungen der IG Metall – die am Sonnabend zum Protest gegen den Stellenabbau bei Bombardier gekommen waren. Unter ihnen junge Männer in schwarzen Anzügen: Vertreter der rund 100 Auszubildenden bei Bombardier. Die Anzüge hingen noch vom Abschlussfest der 10. Klasse im Schrank. Aber heute sei eine gute Gelegenheit, sie wieder auszuführen, denn schließlich stellten die jungen Männer heute Manager dar. Während der Demonstration zum Marienplatz trugen sie einen schwarzen Sarg. Später auf dem Marienplatz sagte Jugendvertreter Robert Hieke auf der Bühne: „Was haben die im Sarg? Unsere Zukunft!“ Dann mal schleunigst weg mit dem Sarg, so seine Aufforderung. „Den könnt Ihr gern nach Kanada mitnehmen, Hauptsache raus aus unserer Region!“ Unter Beifall trugen die „Manager“ ihren selbst gebastelten Sarg schließlich vom Platz.

Das schönste Bild aber, so Jan Otto von der IG Metall, gab die gesamte Menschenmenge ab. Etwa 90 Prozent der Kollegenschaft sei da, schätzte ein Bombardiermitarbeiter ein. Viele brachten die Familie mit, Dutzende schoben Kinderwagen. „Dieses Bild brauchen wir, damit die deutsche und die kanadische Führung versteht, was sie hier anrichten wollen“, so Jan Otto.

Bombardier-Demo in Görlitz

Der Marienplatz von oben.
Der Marienplatz von oben.
Ein Fahnenmeeer..
Ein Fahnenmeeer..
Jan Otto, erster Bevollmächtigter der IG Metall Ostsachsen, spricht zu den Demonstranten.
Jan Otto, erster Bevollmächtigter der IG Metall Ostsachsen, spricht zu den Demonstranten.
Die hatten neben Fahnen...
Die hatten neben Fahnen...
...auch Transparente dabei...
...auch Transparente dabei...
...und Trillerpfeifen
...und Trillerpfeifen
Impressionen von oben...
Impressionen von oben...
...und unten.
...und unten.
Die Demonstration startete am Waggonbau...
Die Demonstration startete am Waggonbau...
...und zog durch die Stadt.
...und zog durch die Stadt.
Auch der Bautzener Oberbürgermeister Alexander Ahrens (mitte) war dabei.
Auch der Bautzener Oberbürgermeister Alexander Ahrens (mitte) war dabei.
Der Demonstrationszug befindet sich hier...
Der Demonstrationszug befindet sich hier...
... auf der Bahnhofsstraße.
... auf der Bahnhofsstraße.
Und jetzt auf der Berliner Straße.
Und jetzt auf der Berliner Straße.
Der Görlitzer Bombardierstandort wird symbolisch zu Grabe getragen.
Der Görlitzer Bombardierstandort wird symbolisch zu Grabe getragen.
Jan Otto, erster Bevollmächtigter der IG Metall Ostsachsen, filmt die zahlreichen Menschen auf dem Marienplatz.
Jan Otto, erster Bevollmächtigter der IG Metall Ostsachsen, filmt die zahlreichen Menschen auf dem Marienplatz.

Diesen Ton dazu auch. Von Anfang an machte der Zug, der vom Werk über die Cottbuser Straße, Kreisverkehr, Bahnhof- und Berliner Straße zum Marienplatz führte, tüchtig Lärm. Aus einem Kleinbus, der voran fuhr, tönte rockige Musik von AC-DC und den Rolling Stones. Ohrenbetäubend aber auch, was die roten IG Metall-Trillerpfeifen und Fußballtröten hergaben. Sprechchöre hallten immer wieder „Waggonbau bleibt!“

Unter die Menge mischten sich viele regionale und überregionale Unterstützer, Vertreter von Siemens und dem Klinikum etwa, Parteien oder Firmen. Auch die Bundestagsabgeordneten Michael Kretschmer (CDU), Thomas Jurk (SPD) und Caren Lay (Die Linke), die alle drei später das Wort ergriffen. Von Bombardier selbst waren Kollegen aus Mannheim, Bautzen und Hennigsdorf gekommen, um Solidarität zu zeigen. „Auch uns droht Werksschließung“, sagte Haralabos Kirifidis, Betriebsrat aus Hennigsdorf, der mit zehn Kollegen nach Görlitz gekommen war. Seit 28 Jahren ist der Diplomingenieur selbst Mitarbeiter und kann die Zukunftsängste der Görlitzer bestens nachvollziehen.

Umso mehr bemühten sich die Redner auf der Bühne mehr als eine Stunde lang, Missstände zwar anzuprangern und Kritik in Richtung Berlin und Kanada anzubringen – doch auch, sich kampfesentschlossen zu zeigen und die Menschen zu motivieren. Der Görlitzer Betriebsratsvorsitzende René Straube kündigte die nächste Stufe im Arbeitskampf an: Am 30. März, wenn der Aufsichtsrat in Berlin tagt, werde man von Görlitz aus „mit so vielen Bussen, wie wir voll bekommen“, nach Berlin fahren und Präsenz zeigen.

Oberbürgermeister Siegfried Deinege sagte, er mahne diesen Termin „ganz dringend an“. „Wenn dort nicht endlich eine ganz klare Aussage kommt, ist Abnabelung angesagt. Vielleicht vom Konzern.“ Denn noch immer warten die Beschäftigten des Görlitzer Standortes auf ein Konzept. Auch ist noch nicht klar, wen genau die vom Konzern angekündigte zweite Welle des Stellenabbaus genau trifft.

Der Bautzener OB Alexander Ahrens betonte, selbst wenn es fürs Bautzener Werk nun ein Konzept gebe, sei er nicht glücklich, wenn dafür „Görlitz kleingehackt wird“. „Wir lassen uns nicht spalten, wir sind eine Region. Und wir lassen uns auch nicht kaufen“, so Ahrens.