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Glitzerwelt oder Tierqual? - Zirkus zwischen Tradition und Verbot

Für Kinder ist Zirkus ein Muss. Unter Erwachsenen gehen die Meinungen hingegen weit auseinander. Gegner fordern bei Zirkus Krone in Zwickau ein Wildtierverbot in der Manege - und richten Schäden an.

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Claudia Drescher

Zwickau. Während unter der Zirkuskuppel Papageien zu einem spektakulären Rundflug über die Köpfe der Zuschauer ansetzen, prangern vor dem Eingang Demonstranten den Circus Krone als Tierquäler an. Einmal mehr. Denn der nach eigenen Angaben größte Zirkus der Welt erntet bei jedem Gastspiel nicht nur Begeisterungsstürme, sondern auch massive Ablehnung durch Tierrechtsorganisationen wie Peta.

Jana Lacey-Krone übt beim Training während des Gastspiels des Circus Krone in Zwickau mit fünf weißen Araberhengsten das Traben durch die Manege.
Jana Lacey-Krone übt beim Training während des Gastspiels des Circus Krone in Zwickau mit fünf weißen Araberhengsten das Traben durch die Manege. © dpa

Zerschnittene Werbeplakate, geklaute Banner und aufgesprühte „Tierqual“-Parolen wie zuletzt im westsächsischen Zwickau gehören für Frank Keller inzwischen zur Tagesordnung. Die jährlichen Schäden sind demnach fünfstellig. „Das Thema begleitet uns jetzt seit etwa zehn Jahren, inzwischen wird es von Jahr zu Jahr militanter“, sagt der Tierschutzbeauftragte des Unternehmens mit rund 260 Mitarbeitern und 100 Tieren. Allein in Zwickau, seien Werbetafeln im Wert von rund 800 Euro beschädigt worden.

Circus Krone mit Hauptsitz in München ist einer von mehr als 300 deutschen Zirkusbetrieben und gilt als Platzhirsch der Branche. Tierschützer haben Krone daher besonders im Visier. In einem Peta-Video von 2015, das derzeit auf Facebook kursiert, wird Krone als die „Spitze einer auf Tierquälerei basierenden Unterhaltungsindustrie“ bezeichnet.

Die Organisation prangert die Haltungsbedingungen im Zirkus prinzipiell als nicht artgerecht an. „Derzeit leiden etwa 50 Elefanten und rund 200 Tiger und Löwen sowie viele andere Wildtierarten unter den mangelhaften Haltungsbedingungen in mobilen Gehegen, den ständigen Transporten auf engen Lkws sowie unter einer Dressur, die in der Regel von Gewalt und Zwang geprägt ist“, sagt Peta-Fachreferent Peter Höffken.

Dem tritt Frank Keller entschieden und routiniert entgegen. Krone halte sich genau an die Vorschriften des Tierschutzgesetzes und entsprechende Leitlinien des Bundesverbraucherministeriums: 3,30 Meter mal 3,30 Meter große Pferdeboxen etwa, großzügige Außengehege, Weidezaun für die Elefanten anstelle von Ketten. „Ja, das Anbinden war vor 30 Jahren üblich, und das ist furchtbar. Das hat aber nichts mehr mit der modernen Tierhaltung in unserem Zirkus zu tun“, entgegnet er. Diese Weiterentwicklung ließen die Gegner außer Acht.

Jede Woche kommt der jeweilige Amtstierarzt und kontrolliert die Einhaltung aller Regelungen anhand eines Zirkuszentralregisters. Krone sei der am meisten kontrollierte Tierhaltungsbetrieb der Welt. Für die Zirkusleute gehörten ihre Tiere zur Familie. Allein um die 23 Löwen und drei Tiger kümmern sich demnach zehn Tierpfleger, die sechs Elefanten werden von acht und die 41 Pferde von 12 Mitarbeitern betreut.

Auch dem Vorwurf, Tierlehrer würden ihre Schützlinge mit Gewalt trimmen, tritt Keller entschieden entgegen. Alle Dressuren beruhten auf natürlichen Verhaltensweisen. So könne man den Rüsselstand des Elefanten - das Gewicht des Tieres ruht auf Stirnplatte und Vorderbeinen - auch in freier Wildbahn sehen, wenn der Riese aus einem Wasserloch trinken wolle. Im Zoo werde diese Übung für die Geburtsvorbereitung sogar antrainiert, schreibt der Zirkus in einer Broschüre.

Statt das Thema kleinzureden, geht Krone in die Offensive: Tierschutz wird in der Manege angesprochen, Zuschauer können den Tieren den ganzen Tag über im „Krone-Zoo“ und auch beim Dressurtraining zusehen, Kommunalpolitiker werden bei jedem Gastspiel zum Rundgang eingeladen. Zudem engagieren sich Zirkusfans im Aktionsbündnis „Tiere gehören zum Circus“ für einen Erhalt der Zirkustradition, zitieren im Internet seitenweise wissenschaftliche Erkenntnisse. Auch die Gesellschaft der Circusfreunde mit 2 000 Mitgliedern lehnt ein pauschales Verbot ab.

Für Organisationen wie Peta ist es hingegen längst überfällig. „21 EU-Länder wie Österreich, die Niederlande und Belgien haben bereits bestimmte oder sämtliche Wildtierarten im Zirkus verboten“, sagt Peta-Mitarbeiter Höffken. Nach 2003 und 2011 gab es 2016 eine dritte Bundesratsinitiative für ein Verbot. Bislang ohne Ergebnis. Hier wolle Peta weiter Druck machen und zudem vor Ort mobilisieren.

Demnach haben bislang mehr als 80 Kommunen Wildtiere im Zirkus verboten oder eingeschränkt. Allerdings mussten viele diese Verbote wieder zurücknehmen, weil die rechtliche Grundlage fehlt. So wollte unter anderem Chemnitz durchsetzen, dass ein Zirkus mit Wildtieren nicht mehr auf städtischem Gelände gastieren darf. Die Landesdirektion kassierte den Stadtratsbeschluss jedoch im Sommer, die Stadtverwaltung legte Widerspruch ein. Ergebnis offen.

Und während laut Peta zwei Drittel der Deutschen keine Wildtiere im Zirkus mehr sehen wollen, haben die Zirkusleute nach zehn Vorstellungen in Zwickau nur einen Tag Zeit, das 48 mal 64 Meter große Zirkuszelt für 4 000 Zuschauer ab- und wieder aufzubauen. Bis zum Abschluss der Sommertournee stehen sieben weitere Städte auf dem Programm. Rund 1,1 Millionen Besucher kamen 2016, laut einer Unternehmenssprecherin dürften es 2017 ähnlich viele werden.