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Gewalt in der Notaufnahme

In den Oberlausitz-Kliniken sind tätliche Angriffe aufs Personal keine Seltenheit. Woran liegt das?

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© Uwe Soeder

Von Jana Ulbrich

Eine Krankenschwester in der Bautzener Notaufnahme hat sich bei einem Sturz das Handgelenk verstaucht. Ein aufgebrachter Patient, der sich kein Blut abnehmen lassen wollte, hat sie kurzerhand heftig zu Boden gestoßen. In der Bischofswerdaer Rettungsstelle tragen zwei Pfleger Schürfwunden davon, als sie versuchen, einen tobenden und um sich schlagenden Betrunkenen zu beruhigen. Erst die Polizei kann den alkoholisierten Mann bändigen.

Tätliche Angriffe auf das Personal in den Notaufnahmen der Oberlausitz-Kliniken sind leider keine Seltenheit. 13 schwerere Vorfälle hat die Klinikleitung seit Jahresbeginn offiziell gemeldet bekommen, sieben davon allein in den vergangenen vier Wochen. „Diese Situation ist für uns unerträglich“, sagt Geschäftsführer Reiner E. Rogowski. In Bischofswerda ist eine Krankenschwester von einem alkoholisierten Patienten sogar gewürgt worden. Eine Mitarbeiterin in Bautzen musste krankgeschrieben werden, nachdem ein betrunkener Patient sie bis auf den Parkplatz verfolgt und immer wieder bedrängt hatte. Und erst vor wenigen Tagen hat ein Patient an der Rezeption der Bautzener Notfallambulanz den Ständer mit dem Bitte-Abstand-halten-Schild nach der Mitarbeiterin hinter der Glasscheibe geworfen. Zum Glück, sagt Rogowski, ist die Scheibe aus Panzerglas. Den Ständer hat er danach aus Sicherheitsgründen nicht wieder aufstellen lassen.

Die hier geschilderten Fälle sind dabei nur die, die tatsächlich bekannt werden. Die meisten Vorfälle würden gar nicht erst gemeldet und weiter verfolgt, weiß der Klinik-Chef. Das bestätigt auch Oberarzt Torsten Eckert, der Leiter der Bautzener Rettungsstelle. Seiner Erfahrung nach gibt es jeden Monat mindestens einen tätlichen Angriff auf Mitarbeiter, von verbalen Ausfällen gegen die Kollegen ganz zu schweigen. Mit Beleidigungen und Drohungen hätten es die Mitarbeiter in der Notaufnahme nahezu täglich zu tun.

Klinikleitung will hart vorgehen

Die Angreifer sind zum größten Teil stark alkoholisierte oder unter Drogen stehende Männer. In zwei der 13 Vorfälle waren es Asylsuchende. Gegen die Angreifer will die Klinikleitung jetzt hart vorgehen. „Wir ermutigen die Mitarbeiter, wirklich jeden Vorfall zu melden“, erklärt Reiner E. Rogowski, „auch wenn es sich nur um vermeintlich geringfügige oder verbale Attacken handelt“. Jeder bekannt gewordene Fall wird zur Anzeige gebracht. „Polizei und Staatsanwaltschaft sollen die Vorgänge kennen, das ist auch für die Mitarbeiter wichtig“, erklärt der Klinik-Geschäftsführer. „Wir fordern von den Verursachern auch die Kosten zurück.“

Woran aber liegt es, dass sich die Mitarbeiter in den Notaufnahmen einer derart wachsenden Aggressivität ausgesetzt sehen? Möglicherweise auch an der Überlastung des gesamten Systems, vermutet Oberarzt Torsten Eckert. Vor allem an den Wochenenden sind die Rettungsstellen der Krankenhäuser heillos überfüllt. Zwischen Freitagnachmittag und Montagmorgen zählen die Mitarbeiter allein in Bautzen zwischen 400 und 600 Patienten. „Das ist räumlich und personell kaum noch abzudecken“, sagt der Oberarzt. Und er befürchtet, dass es bei den jetzigen Strukturen in der ärztlichen Versorgung in Zukunft noch mehr werden könnten.

Lange Wartezeiten sorgen für Frust

Gerade an den Wochenenden kämen viele Patienten einfach in die Notaufnahme, weil der Hausarzt gerade nicht verfügbar ist. Dr. Eckert führt zwar keine Statistik, schätzt aber ein, dass an den Wochenenden bis zu 40 Prozent aller Patienten in der Rettungsstelle keine Notfälle sind. Weil die Ärzte, Schwestern und Pfleger sich aber zuerst um die Notfall-Patienten kümmern müssen, kann es für die anderen mitunter zu stundenlangen Wartezeiten kommen. „Wir erleben da viel Unverständnis, und es staut sich da auch viel Frust auf, für den das Personal aber nichts kann“, sagt Dr. Eckert.

Hier müsse sich dringend etwas am System ändern, ist Klinik-Chef Rogowski überzeugt. Die Notaufnahme sei für wirkliche Notfälle da und könne nicht der Ersatz für den hausärztlichen Bereitschaftsdienst sein. Dabei plane die Kassenärztliche Vereinigung bereits, den Bereitschaftsdienst der Hausärzte noch weiter zurückzufahren. Den Rettungsstellen könnte dann in der ohnehin schon angespannten Fachkräftesituation der Kollaps drohen.

Reiner E. Rogowski hat schon wieder einen Vorfall auf den Tisch bekommen. In der Bautzener Notaufnahme hat ein Mann getobt und die Schwestern beschimpft, weil er sich und seine Schnittwunde nicht ausreichend beachtet gefühlt hatte. Der Klinikchef schüttelt den Kopf. Er will hier nicht eines Tages zu Maßnahmen greifen müssen, wie es sie bereits in vielen Großstadtkrankenhäusern gibt, die die Mitarbeiter der Rettungsstellen von extra Sicherheitspersonal schützen lassen.