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Gestohlener Traktor im Internet zu sehen

Haben die Diebe, die Fahrzeuge der Agrargenossenschaft Görzig stahlen, Google Maps zum Ausspionieren genutzt? Wie geht Google mit dem Problem um?

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© Luftbildmontage:Brühl

Von Jörg Richter

Görzig. Dieser Diebstahl war dreist und professionell vorbereitet zugleich. Da sind sich die Opfer und die Polizei einig. Vor zwei Wochen verschafften sich Unbekannte nachts Zugang auf das Gelände der Agrargenossenschaft Görzig und stahlen dort einen Traktor der Marke John Deere und zwei Weidemann-Radlader. Der Schaden beträgt 140 000 Euro.

Kleines Foto: Gerhard Zehnter zeigt einen Weidemann-Radlader, den die Görziger nach dem Diebstahl ausleihen musste.
Kleines Foto: Gerhard Zehnter zeigt einen Weidemann-Radlader, den die Görziger nach dem Diebstahl ausleihen musste. © A. Hübschmann

„Die Diebe haben ganz genau gewusst, was sie hier finden“, sagt Aufsichtsratsmitglied Gerhard Zehnter. „Die haben uns vorher ausspioniert.“ Wie? Das weiß er auch nicht. Doch es gibt schon seit Längerem Hinweise, dass professionelle Diebesbanden auf der Suche nach neuen Opfern die Luftbildaufnahmen der US-amerikanischen Internet-Suchmaschine Google benutzen. Mit den Portalen Google Maps und Google Earth kann jeder ganz leicht von oben auf das Grundstück seines Nachbarn sehen. Auch Ämter nutzen diese Internetportale, um zum Beispiel nach Schwarzbauten zu suchen, die von der Straße aus nicht zu sehen sind.

Und tatsächlich sind auf der momentanen Luftbildaufnahme der Agrargenossenschaft Görzig, die Google Maps im Internet präsentiert, der gestohlene Traktor und zwei Radlader deutlich zu erkennen. Mehr noch: Auch das rund hundert Meter entfernte Wäldchen ist zu sehen. Dort stand nach Erkenntnissen der Polizei wahrscheinlich der Tieflader der Diebe, um die drei Fahrzeuge aufzuladen und abzutransportieren. – Die Luftbildaufnahme ist zwar ein paar Jahre alt, doch geeignet dafür, sich einen Plan für solche Raubzüge auszuhecken.

Bei der Polizeidirektion Dresden hält man das für möglich, aber nicht für bewiesen. „Es liegen uns keine Erkenntnisse vor, ob Diebe Google Maps nutzen“, sagt Polizeisprecherin Ilka Rosenkranz. „Das ist im Dunkeln und Spekulation.“ Außerdem komme noch dazu, dass solche spektakulären Diebstähle wie in Görzig, wo gleich mehrere Fahrzeuge gestohlen wurden, in der Region nicht so häufig vorkommen.

Versicherung kennt Problem

„Das ist nichts Neues. Wir kennen das Problem“, heißt es dagegen aus der GVF Versicherungsmakler AG in Chemnitz. Dort sind rund 1 200 ostdeutsche Agrargenossenschaften versichert. Auch die in Görzig. „Wir versuchen, unsere Mandanten zum Thema Sicherheit zu sensibilisieren“, sagt eine Mitarbeiterin, die nicht genannt werden möchte. Das fange dabei an, keine Fremden unbeaufsichtigt auf das Betriebsgelände zu lassen, oder Tore und Türen zu verschließen. Beim Thema „Ausspionieren per Google Maps“ ist auch sie ratlos. „Wie will man das verhindern“, fragt sie.

Die SZ fragte bei der Presseabteilung von Google Deutschland in Hamburg nach. Dort verweist ein Pressesprecher darauf, dass die Öffentlichkeit auf Luft- und Satellitenaufnahmen durch eine Vielzahl von Quellen Zugriff hat. Google Earth und Google Maps beziehen ihre Bilder von verschiedenen Partnern, unter anderem vom Bundesamt für Kartografie und Geodäsie. „Generell aktualisieren wir die Ansichten in Google Earth, sobald neues Bildmaterial von unseren Partnern zur Verfügung steht“, so der Sprecher. Erst vor wenigen Tagen sei Google Earth in neuer Version erschienen.

Auf die Frage, ob die Agrargenossenschaft Görzig von Google verlangen kann, dass ihr Betriebsgelände im Internet unkenntlich gemacht werden soll, antwortet der Pressesprecher: „Diese Möglichkeit besteht grundsätzlich nur für natürliche Personen.“ Das bedeute beispielsweise, dass eine GmbH keinen Antrag stellen kann. Firmengebäude oder öffentliche Gebäude würden grundsätzlich nicht unkenntlich gemacht, „da diese regelmäßig nicht im Eigentum natürlicher Personen stehen und auch nicht von diesen bewohnt werden“.

Agrargenossenschaften sind demnach dem Ausspionieren durch Diebe per Google oder anderen Anbietern im Internet schutzlos ausgeliefert.