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Geschäftsführer ohne Betrieb

Karsten Winkler ist Chef der Galvanik Heidenau. Nach dem Brand im Mai baut er die Firma nun zum zweiten Mal auf.

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© Katja Frohberg

Von Heike Sabel

Computer, Büro, Telefon – all das gehört zu einem Geschäftsführer. Karsten Winkler hat derzeit bis auf ein Handy nichts davon. Sein Computer besteht aus Sicherungskopien, der Festnetzanschluss funktioniert noch immer nicht, und sein Büro ist eine Sitzecke am Eingang seines Betriebes, den es seit dem 20. Mai nicht mehr gibt. Die Galvanik Heidenau brannte zum zweiten Mal nach 15 Jahren ab. Winkler war gerade mit einem Freund auf Motorradtour in Österreich. Da beendete ein nächtlicher Anruf den Urlaub.

Ende Mai brannte sie zum zweiten Mal ab. Das Firmenschild am Eingang blieb. Es ist zum Symbol fürs Weitermachen geworden. Im nächsten Mai will Winkler wieder produzieren.
Ende Mai brannte sie zum zweiten Mal ab. Das Firmenschild am Eingang blieb. Es ist zum Symbol fürs Weitermachen geworden. Im nächsten Mai will Winkler wieder produzieren. © Daniel Förster

Übrig geblieben ist nach dem Brand so gut wie nichts von der Firma an der Pirnaer Straße. Es dauerte einige Tage, bis Winkler das richtig verstanden hatte. Manchmal suchte er noch später etwas. Aber das war ja alles verbrannt. Dabei muss ihm das Gefühl bekannt vorgekommen sein.

Vor 15 Jahren erlebte er das Gleiche schon einmal. Und er macht das, was er damals auch machte: Wieder aufbauen.

Im Januar soll die neue Halle stehen. „So ist der Plan, ich weiß, das ist sportlich“, sagt Winkler. Im Mai – ein Jahr nach dem Brand – soll wieder gearbeitet werden. Ein Jahr, in dem der Betrieb nicht arbeitet und Winkler trotzdem zu tun hat.

Die Beschäftigten sind zu Hause, werden bei Bedarf gerufen. Sie erhalten über die Versicherung ihren Lohn weiter. Für Winkler bedeutet das die Sicherheit, sie nicht zu verlieren. Das Angebot befreundeter Firmen, Mitarbeiter zeitweise zu übernehmen, musste nicht angenommen werden. Winkler ist dennoch dankbar dafür und sagt: alle Achtung.

Für den einen Lehrling will er den Vertrag verlängern, damit er seinen Abschluss ordentlich machen kann. Die Berufsschule für den jungen Mann geht weiter, er muss dann noch den Praxisteil nachholen. Auf der Heidenauer Ausbildungsbörse wird Winkler diesmal mit seinem Motorrad fehlen. Das war immer ein Hingucker, um Galvanik anschaulich zu machen.

Der Wiederaufbau wird von der Versicherung bezahlt, auch mit den Mehrkosten, um die aktuellen Forderungen hinsichtlich Sicherheit etc. zu erfüllen. Nur derzeit hat Winkler keine Versicherung. „Es gibt ja nichts zu versichern“, sagt er.

Die Mitarbeiter versorgt und sicher, keine Probleme mit der Versicherung – sorgenfrei ist Winkler trotzdem nicht. Vor allem drängt die Frage, wie es nach dem Wiederaufbau weitergeht. Auch wenn Winkler seinen Humor nicht verloren hat, der trügt nicht über den Ernst der Lage hinweg. „Es ist jedes Mal existenzbedrohend.“ Als zweifaches Brandopfer weiß er, wovon er spricht. Zwar haben viele Kunden zugesichert, dem Heidenauer Unternehmen treu zu bleiben. Winkler nimmt deshalb auch weiter die Aufträge entgegen und gibt sie zur Abarbeitung an andere Firmen. So wie vor 15 Jahren. Trotzdem, zehn bis 15 Prozent sind abgesprungen. Winkler konnte es danach wieder ausgleichen. Ob es diesmal wieder so klappt, werde sich zeigen. Logistische Herausforderungen, Kundenbindung, Bauplanung – wie Karsten Winkler das jetzt alles im Griff hat, wird auch über die Zukunft entscheiden.

Technischer Defekt war schuld

Winkler sitzt in seinem Büro unter freiem Himmel. Hinter ihm reißt ein Bagger die Betonplatten heraus. Dahinter viel freie Fläche. Dort, wo die Halle stand. Weiter hinten links steht ein großes weißes Zelt. Es ist das Übergangslager. Nur die Werkstatt vorn parallel zur Pirnaer Straße, das Blockheizkraftwerk und eben die stabile hölzerne Sitzecke, die nun als Büro dient, hatten die Brandnacht überstanden.

Winkler macht einen ruhigen, gefassten Eindruck. Gut, die meisten grauen Haare hat er in den Wochen seit dem 20. Mai bekommen.

Die Ursache für den Brand ist ein technischer Defekt in der Galvanoanlage, also dem Herzstück, in dem mit viel Chemie gearbeitet wird. Es gab einen Entstehungsbrand, der aber nicht den Alarm auslöste. Der kam von einem Nebengebäude, als in der großen Halle eigentlich schon alles zu spät war.

Was der eigentliche Auslöser war, sei in dem Trümmerhaufen nicht mehr feststellbar. Auch ein Schuldiger ist nicht auszumachen. Fest steht, die Brandmeldetechnik habe nicht wie erwartet funktioniert. „Daraus ziehen wir unsere Lehren, um wieder ruhiger zu leben“, sagt Winkler. Zum Beispiel wird kein Öl als Kühlmittel mehr eingesetzt.

Winkler bleibt auch dabei sachlich. Er blinzelt in die Sonne. Die Situation sei jetzt, wie sie ist. Punkt. Alles andere helfe nicht weiter. Simone Nitzsche, eine Mitarbeiterin, nickt. Sie macht all das zum ersten Mal mit. Ihr Mann war an dem 20. Mai auf Arbeit gefahren und hatte sie angerufen: Deine Firma brennt. Sie: „Du spinnst.“

Das neue Büro der Heidenauer Galvanik soll nächste Woche fertig sein, dann stehen da auch wieder Computer, und die Telefonleitung soll ebenfalls funktionieren. Alles andere wird noch eine Weile dauern. Auch die Zeit bis zu einem Urlaub.