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Gerichtsstreit um eine Viertelstunde

Der Streit zwischen Anwohnern am Radebeuler Weinbergstadion und dem Radebeuler Ballspiel-Club treibt neue Blüten.

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© Norbert Millauer

Von Peter Redlich

Radebeul. Es macht gerade auf Facebook seine Runde. Das Urteil des Meißner Amtsgerichts gegen den Radebeuler Ballspiel-Club 1908 e.V. (RBC), Carl-Pfeiffer-Straße 5, vom 8. August 2017. In dem Anerkenntnisurteil wird der RBC verurteilt, „es für jeden Fall der Zuwiderhandlung unter Vermeidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250 000 Euro ersatzweise an seinem Präsidenten zu vollziehende Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten zu unterlassen, den Trainingsbetrieb auf dem Sportplatz des Stadions am Weinberg, Radebeul, werktags länger als bis 20.45 Uhr durchzuführen“.

Gegen den Sportverein geklagt haben Anwohner, die unmittelbar am Sportplatz wohnen. Bisher hatte der RBC seinen Trainingsbetrieb bis 21 Uhr abgehalten.

Es geht um eine Viertelstunde. RBC-Präsident Arnold Wiersbinski: „Wir müssen jetzt unseren gesamten Trainingsbetrieb umstellen. Das wird schwierig bei über 500 Mitgliedern.“

Der Streit um den Sportbetrieb im Weinbergstadion an der Gleisschleife der Straßenbahnlinie 4 im Westen Radebeuls geht seit 13 Jahren. Damals hatte die Stadt Radebeul den brachliegenden Sportplatz für die Fußballer wieder hergerichtet und etwa eine Dreiviertelmillion Euro investiert. Die mit dem Trainingsbetrieb einhergehende Unruhe störte einige Anwohner so sehr, dass sie schon damals mit Klagen gegen den Platz überhaupt Sturm liefen.

Die Trainings- und Spielzeiten im Stadion wurden in Baugenehmigungen der Stadt Radebeul festgelegt. Es gibt eine Baugenehmigung von 2004. Darin steht, dass wochentags bis 20.45 Uhr trainiert werden darf. Dies ist 2014 in einer weiteren Baugenehmigung auf 21 Uhr von der Stadt geändert worden. Gegen diese 2014er-Baugenehmigung, so erläutert einer der Anwohner und Kläger Michael Kindler, gibt es 30 Widersprüche. Diese wurden allerdings alle von der Landesdirektion in Dresden zurückgewiesen, sagt Radebeuls Sportstättenchef Titus Reime.

Vor Gericht in Meißen schien das jedoch keine Rolle zu spielen. Dort berief sich Richterin Jana Rothe auf die Baugenehmigung von 2004 und die Schlusszeit von 20.45 Uhr. Bei Kläger Kindler nachgefragt, warum hier um eine Viertelstunde gestritten wird, antwortete dieser: „Die Zeit von 20.45 Uhr wurde aufgrund eines Lärmschutzgutachtens ermittelt. Es geht uns nicht um eine Viertelstunde. Es geht uns um Ruhe. Der Verein hat es abends übertrieben.“

Auf das Urteil gibt es in den sozialen Netzwerken inzwischen über 50 Kommentare. Die reichen von deftigen Unmutsbekundungen wie: „Da bekommt man doch gleich Lust jeden Tag von 20.45 Uhr bis 21 Uhr mit einer lauten Pfeife vor dem Sportplatz spazieren zu gehen“, von Daniel Matze Zeihe. Über: „Das Urteil ist nicht nachvollziehbar. Der Sportplatz war eher da. Wenn man neben einen Sportplatz zieht, muss man damit rechnen, dass dieser auch entsprechend genutzt wird“, von Susan Gungl. Bis: „Da muss dann nur noch die Straßenbahn, der Autohändler und die Kleingärten weg, dann ist es perfekt. Warum siedelt man solche Leute nicht einfach nach Grönland um?“, von Christian Hunn.

Landtagsabgeordnete Daniela Kuge (CDU) schreibt: „Ich habe gleich Dr. Rössler darüber informiert.“ Und Matthias Kreher notiert auf Facebook: „Vielleicht wäre in diesem Fall ein Mediator besser gewesen. Ich würde das Gespräch suchen.“ Die beiden letzten, wohl eher gut gemeinten Kommentare, dürften allerdings ins Leere laufen. Radebeuls Stadtrat Heinz-Jürgen Thiessen (Bürgerforum/Grüne) hatte bereits zu vermitteln versucht. Kläger Kindler: „Dabei wurden nur die gegenseitigen Ansichten ausgetauscht. Das hat gar nichts gebracht.“

Im Gegenteil. Die Anwohner haben bereits den nächsten Gerichtstermin vor Augen. Im Oktober geht es um die Anzahl der Spiele und die Zuschauer, die an Sonntagen auf dem Platz sein dürfen. Die Anwohner wollen lediglich zwei Spiele und je Spiel 25 Zuschauer erlauben, so besage es die Baugenehmigung von 2004. Und wenn sich nicht dran gehalten werde, so Michael Kindler, dann werden wir Anzeige erstatten.

RBC-Präsident Arnold Wiersbinski mit schwarzem Humor. „Ich habe schon mal meinen Koffer für die sechs Monate gepackt. Denn das Geld haben wir nicht.“

Dass sich die verhärteten Fronten im Weinbergstadion entspannen könnten, ist also nicht in Sicht. Entspannung könnte allenfalls ein dritter Sportplatz für die RBC-Kicker mit ihrem großen Zulauf an Kindern und Jugendlichen bringen. Den möchte die Stadt neben dem Lößnitzbad bauen. Die Verhandlungen mit den Grundstückseigentümern laufen noch. Eine Aussicht, auf die auch Michael Kindler und seine Mitstreiter bauen.