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Gericht rettet Feuerwehrmann

Er ist wegen Volksverhetzung angeklagt. Bei einer Verurteilung drohen dem Coswiger Verlust von Job und Beamtenstatus.

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© Marko Förster

Von Jürgen Müller

Meißen. Feuerwehrleute retten Menschen. Das hat wohl auch der Coswiger als Berufsfeuerwehrmann in Dresden schon mehrfach getan. Doch jetzt braucht er selbst Hilfe. Dem 46-Jährigen, der zweifacher Familienvater ist, droht der Jobverlust und des Beamtenstatus. Der Staatsdiener ist der Volksverhetzung angeklagt. Zwar werden Beamte in aller Regel erst dann entlassen, wenn sie zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt werden. Das droht hier zwar nicht. Entscheidend ist aber die Straftat. Ein Beamter, der wegen Volksverhetzung verurteilt wird, ist nicht mehr tragbar. Das hat ihm sein Arbeitgeber bereits angekündigt. Dem Mann wird vorgeworfen, vor fast auf den Tag genau vor zwei Jahren auf der Facebookseite „Ich bin böse“ einen Eintrag geteilt zu haben. In diesem sind Soldaten mit einem Maschinengewehr zu sehen. Darunter steht: „Das schnellste Asylverfahren Deutschlands. Lehnt bis zu 1 400 Asylanträge in einer Minute ab.“ Volksverhetzung warf ihm daraufhin die Staatsanwaltschaft vor. Auf deren Antrag hin verhängte das Meißner Amtsgericht eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 40 Euro, insgesamt also 2 400 Euro. Dagegen ging der Mann in Einspruch. Das Verfahren zieht sich nun schon über acht Monate hin. Zum ersten Termin im August vorigen Jahres hatte Richterin Ute Wehner keine Zeugen geladen. Zum zweiten Termin Anfang Februar dieses Jahres fiel wegen Erkrankung der Richterin aus. Nun also der dritte Anlauf.

Verteidiger Frank Hannig geht mit klarem Ziel in die Verhandlung. Er will, dass das Verfahren gegen seinen Mandanten wegen geringer Schuld gegen eine Geldauflage eingestellt wird. Schon die geringste Verurteilung würde dazu führen, dass sein Mandant als Beamter entlassen würde, und das nur, weil er ein Bild geteilt habe. „Die Folgen für meinen Mandanten stehen in keinem Verhältnis zur Tat“, argumentiert der Anwalt. „Er hat verstanden, dass es als Beamter erforderlich ist, sich mit seiner Meinungsäußerung zurückzuhalten“, sagt er. Der Angeklagte sei mit der langen Verfahrensdauer und der Angst, seinen Job zu verlieren, schon genug bestraft.

Der Staatsanwalt macht deutlich, dass er eine Einstellung nicht mitträgt. In einem Rechtsgespräch, das hinter geschlossenen Türen geführt wird, ändert er offenbar seine Meinung. Hannig hatte mit obergerichtlicher Rechtsprechung argumentiert, nach welcher allein das Teilen eines Beitrages keine eigene Meinungsäußerung darstelle. Richterin Ute Wehner stimmt schließlich ebenso wie Staatsanwalt Franke einer Einstellung zu, wenn der Angeklagte ein Geständnis ablegt. Dieser sagt, dass er frustriert war, weil Bayern München an jenem Abend ein Champions-League-Spiel gegen Real Madrid mit 0:4 verloren hatten. Er sei in einer Kneipe gewesen, es habe eine „bescheuerte Stimmung“ geherrscht. Er sei frustriert und betrunken gewesen, habe deshalb das Bild geteilt. Auf dem Heimweg sei ihm klar gewesen, dass dies ein Fehler war. Zu Hause hat er seinen Eintrag gelöscht, aber das Netz vergisst nichts. Nun rettet das Gericht dem Beamten seinen Job. Zudem spart er Geld. Statt der ursprünglich 2 400 Euro Strafe muss er nun nur 1 000 Euro Geldauflage zahlen. Ganz wichtig auch: Gegen eine Einstellung sind keine Rechtsmittel möglich. Die Staatsanwaltschaft kann also keine Berufung oder Revision einlegen. Zu einer erneuten Verhandlung käme es nur, wenn der Mann die Geldauflage nicht bezahlt.

Diesmal sind übrigens vier Zeugen geladen, werden aber nicht gehört. Für sie ist die Verfahrenseinstellung nicht nachvollziehbar. „Irgendwann ist doch mal Schluss“, sagt ein Polizist.