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Gemeinsames Gemüse

In Radebeul gibt es seit drei Jahren einen Biohof, der nach einem besonderen Konzept arbeitet. Und das mit Erfolg.

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© Norbert Millauer

Von Ronja Münch

Radebeul. Gleich vorweg: Die solidarische Landwirtschaft Dein Hof in Radebeul erfüllt nicht das Klischee des idyllischen kleinen Biohofes mit hübschem Bauernhaus, ein paar Hühnern, die herumrennen und vielleicht noch ein paar Schafen auf der Weide. Gut, ein Schaf kann man schon mal antreffen. Ein sehr zotteliges, sehr freundliches Tier. Aber das gehört nicht zur solidarischen Landwirtschaft, sondern zum Reiterhof. Die Äcker verpachtet dessen Besitzer Ralf Güttner, an die Landwirtschaftsinitiative. Und der geht es nicht um die Idylle, sondern um die Idee.

Strohhüte schützen die Gärtner vor der Sonne. Vielleicht muss mal ein neuer her.
Strohhüte schützen die Gärtner vor der Sonne. Vielleicht muss mal ein neuer her. © Norbert Millauer

Für die steht wohl ganz besonders Henry Müller. Auf dem Weg zu Dein Hof hatte der Biogärtner auch mit Initiativen zu tun, die auf der Suche nach oben beschriebenem idyllischen Bauernhof waren. Was auf den Elbwiesen bei Radebeul entstanden ist, ist aber in erster Linie Landwirtschaft. Ökologisch ist die auf jeden Fall. Gedüngt wird beispielsweise mit geschredderten Bohnen, um Stickstoff in den Boden zu bringen. Vieles wird per Hand gemacht. Idyllisch ist es aber nur zum Teil. In der Anfangszeit sei auch mal eine ältere Dame im Pelzmantel vorbeigekommen. Für sie sei das wohl nicht das Richtige gewesen, so Henry schmunzelnd. Denn neben den Feldern und dem Gewächshaus gibt es nur eine Baracke, in der sich Küche und Lagerräume befinden.

Darin hat zwar alles eine Ordnung, überall kleben Schilder, was wo hingehört. Das sei auch wichtig, meint Henry, so viele Menschen wie hier ein- und ausgehen. „Wir sind immer dabei, das noch zu verbessern.“ Aber es stehen und liegen auch einige Sachen herum, die Möbel, das Geschirr, alles zusammengewürfelt, abgenutzt. Der einzige Luxus ist ein Strauß Wildblumen auf dem Tisch.

Eine Hochglanzküche braucht Henry aber auch nicht, um aus den Feldfrüchten, die er zum Teil eben noch geerntet hat, schmackhaftes Essen zu zaubern. Obwohl gerade die Lagerware ausgeht. Die letzten Zwiebeln, die letzten Kartoffeln werden zu Brei. Ein bisschen hilft er aus mit Bohnen und Tomaten aus dem Glas, natürlich auch bio. Der Salat ist frisch vom Feld, verfeinert mit roter und weißer Beete und angebratenen Kernen. Zum Nachtisch gibt es Rhabarber mit Streuseln. Es ist schon fast ein drei Gänge Menü, was Henry an diesem Mitmachmittwoch mal eben zaubert. Bio, vegan, superlecker. An den Mitmachtagen sind alle Mitglieder der solidarischen Landwirtschaft eingeladen, zu helfen, dafür gibt es Mittagessen. In der Woche kommen aber meist nur ein bis zwei Leute zusätzlich zu den Gärtnern, die jeden Tag da sind.

An Wochenenden und Feiertagen wird es voller, da erscheinen auch schon mal 20 Leute zum Helfen. Es ist ein Teil des Konzepts der solidarischen Landwirtschaft, dass die Leute mithelfen. Das ist allerdings freiwillig, jeder macht so viel er will und kann. Der wichtigste Grundsatz ist jedoch, dass die Mitglieder jährlich Ernteanteile erwerben. Sie kaufen das Gemüse also nicht erst, wenn es schon geerntet ist, sondern vorher. Ein Ernteanteil reicht gut für eine Familie oder eine WG, jedenfalls was das Gemüse angeht. Anfang jedes Jahres wird verteilt, 140 sind aktuell vergeben.

Viele teilen sich einen Anteil, der Hof hat mittlerweile über 250 Mitglieder. Gestartet wurde 2014 mit 100 Ernteanteilen. Auch die Anbaufläche hat sich vergrößert, von knapp zwei auf mittlerweile vier Hektar. „Für mich hat die Anonymität merklich zugenommen“, sagt Henry. Allerdings mache er mittlerweile auch nicht mehr so viel Öffentlichkeitsarbeit. Am Anfang habe viel von den Gärtnern abgehangen, mittlerweile kümmern sich die Mitglieder im Verein um viele Aufgaben wie die Verteilung der Lebensmittel und die Organisation von Veranstaltungen.

„Mir geht es auch darum, dass ein Bewusstsein dafür entsteht, was schief läuft in der Landwirtschaft“, sagt Henry. Und damit meine er nicht nur Dinge wie hohen Pestizideinsatz und Monokulturen. „Die Bauern können im Grunde genommen nicht leben von dem was sie machen. Die Hälfte ihres Erlöses sind Agrarsubventionen. Das ist ein Zustand, der eigentlich nicht sein kann, dass man von seiner Arbeit nicht leben kann und dass querfinanziert wird durch die Steuergelder der Mitbürger.“ Die solidarische Landwirtschaft sei da ein Alternativmodell, um zu zeigen, dass es auch anders funktionieren kann. Positiver Nebeneffekt: Es wird viel weniger weggeschmissen. „In der Landwirtschaft wird einfach produziert für einen anonymen Markt, es gibt Überschüsse, es bleiben Sachen auf dem Feld“, empört der Gärtner sich. „Und hier ist es halt so, dass fast alles, was angebaut wird, auch verwertet wird.“

Was geerntet wird, wird gleichmäßig verteilt und jede Woche zu verschiedenen Stationen in Dresden und Umgebung gebracht, wo die Lebensmittel abgeholt werden können. Die Mitglieder bestimmen mit, was angebaut wird. Natürlich muss auch auf die nötige Reihenfolge der Gemüse im Jahresverlauf geachtet werden und darauf, dass der Boden fruchtbar bleibt. Zu viel Kohl geht beispielsweise nicht. Aber nach Möglichkeit kommt das auf den Acker, was die Leute später auch auf ihrem Teller haben wollen.

Solidarisch ist DeinHof dabei nicht nur mit den Bauern, sondern auch untereinander. Im Schnitt kostet jeder Ernteanteil etwa 80 Euro pro Monat. Doch nicht jeder zahlt gleich viel. Zum Anfang jeden Jahres wird mit allen Mitgliedern verhandelt, wer mehr zahlen kann, wer vielleicht stattdessen mehr auf dem Feld hilft. Drei Runden braucht es dafür meist, bis der Jahreshaushalt steht. Das ist anstrengend und sicher nichts für jeden. „Es ist aber auch immer ein großes Fest“, sagt Thomas Trepte, Mitglied aus Dresden.

2014 hat er sich mit seiner Familie den letzten Ernteanteil des Jahres gesichert, in einer Nachtaktion, weil er zufällig von dem neu entstehenden Hof gehört hatte. Er engagiert sich im Verein, indem er beispielsweise die Facebookseite betreut. Es gebe aber auch immer die, die aussteigen. Teilweise auch innerhalb eines Erntejahres, obwohl das eigentlich nicht vorgesehen ist. „Aber es bringt ja auch nichts, wenn sie nicht mehr mit Herzblut dabei sind“, meint Thomas.

Der Zuwachs zu der Idee der solidarischen Landwirtschaft wächst seit Jahren. 2007 gab es nur neun Höfe im deutschlandweiten Netzwerk SoLaWi. Mittlerweile sind es neun allein in Sachsen. Jedes Jahr kommen neue dazu, deutschlandweit wirtschaften mittlerweile mindestens 143 Höfe nach dem Modell. Für DeinHof wünscht sich Henry, „dass wirklich alle hier draußen sind, wenigstens zweimal im Jahr“. Er wünsche sich, dass die gemeinschaftlichen, ökologischen Werte erhalten bleiben und kein Konsummodell entsteht.