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Geheimnis um Lauensteiner Galgen gelüftet

Dresdner Hobbyforscher finden das Hochgericht und dazu noch die Erklärung, warum in der Region um Altenberg so viele Menschen hingerichtet wurden.

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© Frank Baldauf

Von Maik Brückner

Lauenstein. Auf den ersten Blick sehen die Mauerreste unspektakulär aus. Für Mario Sempf sind sie das ganz und gar nicht. Für ihn sind sie ein Sensationsfund. „Das sind die Reste des Lauensteiner Galgens“, sagt der Dresdner, der sich seit Jahren mit experimenteller Archäologie befasst.

Thomas Zahn, der sich als Galgenforscher bezeichnet, hat ein Modell und eine Skizze vom Galgen gefertigt. Dieser habe erstaunliche Ausmaße gehabt. Zur Vollstreckung der Hinrichtungen kam im Mittelalter der Schafrichter aus Dresden nach Lauenstein.
Thomas Zahn, der sich als Galgenforscher bezeichnet, hat ein Modell und eine Skizze vom Galgen gefertigt. Dieser habe erstaunliche Ausmaße gehabt. Zur Vollstreckung der Hinrichtungen kam im Mittelalter der Schafrichter aus Dresden nach Lauenstein. © privat

Diese Gerichtsorte sind erhalten geblieben

Angstloch in der Burgruine In der Burg befindet sich das Angstloch, ein fünf Meter tiefes und sehr schmales Verließ. 2012 verbrachte Mario Sempf mit seinem Bruder eine Nacht hier.
Angstloch in der Burgruine In der Burg befindet sich das Angstloch, ein fünf Meter tiefes und sehr schmales Verließ. 2012 verbrachte Mario Sempf mit seinem Bruder eine Nacht hier.
Richtstätte in Liebenau Im tiefen Mittelteich zu Liebenau wurden im Mittelalter Frauen ertränkt, die ihre nichtehelichen Neugeborenen getötet hatten.
Richtstätte in Liebenau Im tiefen Mittelteich zu Liebenau wurden im Mittelalter Frauen ertränkt, die ihre nichtehelichen Neugeborenen getötet hatten.
Kerkerzellen im Museum Wer das Osterzgebirgsmuseum im Schloss Lauenstein besucht, kann sich auch Gefängniszellen aus dem 19. Jahrhundert anschauen.
Kerkerzellen im Museum Wer das Osterzgebirgsmuseum im Schloss Lauenstein besucht, kann sich auch Gefängniszellen aus dem 19. Jahrhundert anschauen.

Gefunden hat er diese zusammen mit Thomas Zahn, der sich selbst als Galgenforscher bezeichnet. Die Reste des Fundamentes befinden sich in einem kleinen Waldstück zwischen Lauenstein und Liebenau. „Hier verlief der alte Kirchweg“, sagt Mario Sempf. Hinweise auf seine Lage fanden die beiden in Chroniken und auf historischen Karten. Dass vom Galgen nur noch so wenig zu sehen ist, liegt an den Lauensteinern. Die hatten einen Großteil der Steine vor mehr als 100 Jahren abgetragen, um sie für den Bau des Spritzenhauses zu verwenden. Deshalb ist das Fundament des Galgens nur etwa 50 Zentimeter hoch. Nur mit Mühe kann sich ein Laie vorstellen, wie der Galgen aussah. Zahn und Sempf sind sich einig, dass der Galgen einst beachtliche Ausmaße hatte. „Das steinerne Rondell war mindestens zwei Meter hoch“, sagt Zahn. Nach dem Studium der Unterlagen weiß er, dass es eine Tür gab. Er hat sich die Mühe gemacht, den Galgen als Modell nachzubauen. Den zeigt er auf den Galgenführungen, die die beiden Hobbyforscher ab diesem Jahr sporadisch in Lauenstein anbieten. Lauensteins Vizeortschef Kay Hardelt begrüßt das. „Ich finde das eine tolle Sache“, sagt er. Es ist zwar ein ganz spezielles Angebot. Doch auch das wird seine Fans finden. „Es muss sich erst einmal herumsprechen“, sagt Hardelt. Darauf setzt auch Sempf. Und er ist sicher, dass das passiert. „Hier in Lauenstein gibt es sehr viele erhalten gebliebene Gerichtsorte“, sagt Sempf. Dazu zählt auch der Mittelteich im benachbarten Liebenau. Weil dieser tief ist, wurden im Mittelalter hier Frauen ertränkt, die ihre Kinder umgebracht hatten. Die beiden Mittelalterforscher haben auch die Überreste des Hauses gefunden, in dem einst der Abdecker wohnte und arbeitete. Dem oblag es, das Vieh zu häuten und die Tierkadaver zu beseitigen. Später musste der Abdecker auch die Hinrichtungen übernehmen. „Da er als unrein galt, lag sein Wohn- und Arbeitsbereich weit außerhalb des Ortes“, sagt Sempf. Sein Haus befand sich unweit des Galgens. Die anderen Gerichtsorte befinden sich im Altstadtkern von Lauenstein. In der Burgruine gibt es noch Kerkerzellen und das Angstloch. In dieses Loch steckten die Burgherren einst aufmüpfige Bauern. Und auf dem Marktplatz fanden früher Hinrichtungen statt.

Obwohl die beiden Dresdner schon viel zur mittelalterlichen Rechtspraxis zusammengetragen haben, sind noch Fragen geblieben. Diese soll nun die Richtstättenarchäologin Dr. Marita Genesis beantworten. Diese wird nach Lauenstein kommen, um sich den Galgen näher anzuschauen. Eine Frage, die sich auch Museumsleiterin Gabriele Gelbrich stellte, konnten die beiden Forscher indes schon beantworten. Denn diese wunderte sich, dass es im Mittelalter so viele Hinrichtungen in Lauenstein gab. „Das lag am Reichtum der Region“, sagt Mario Sempf. In den hiesigen Bergwerken wurde viel Erz gefunden. Das lockte viele Leute an, darunter auch Abenteurer. Und das brachte die soziale Ordnung in Bewegung. Um sie aufrechtzuerhalten, gingen die Herrscher mit Härte vor. Und das spiegelt sich in den Chroniken wider.

Weitere Informationen zur mittelalterlichen Gerichtsbarkeit in Lauenstein und Dresden finden Interessierte in Mario Sempfts Buch: „Vom Hängen und Würgen“.

Interesse an Galgenwanderungen? Kontakt zu Mario Sempf: [email protected]

Infos im Internet