Von Ronja Münch, Peter Anderson, Peter Redlich und Catharina Karlshaus
Sie habe ein ganz schlechtes Gefühl, sagt eine ältere Dame, die auf regelmäßige Herzmedikamente angewiesen ist. Sie hat den ARD-Film „Gift“ und die anschließende Doku über gefälschte Medikamente gesehen. Vor allem diskutierten am Donnerstag Bürger im Supermarkt, im Bus und in der Apotheke, wie solche gefälschten Tabletten erkannt werden können. Die Organisation German Doctors, die in Ländern wie Indien Menschen hilft, schreibt: „Weltweit entspricht laut Weltgesundheitsorganisation WHO bei 10 Prozent der Medikamente der Inhalt nicht dem Packungsaufdruck; in Deutschland gehen Experten von einer Fälschungsrate von einem Prozent aus, Tendenz steigend.“ Wie schützen sich Apotheker davor, Fälschungen untergeschoben zu bekommen? Gab es schon Fälle von Beanstandungen? Wie wird darauf reagiert? Was kann der Patient selbst erkennen?
„Wir sind nur das Ende der Kette“, sagt Manja Feiereis von der Sonnenapotheke in Meißen. Zwar kontrollieren Apotheken jeden Tag ein Medikament. Doch das bedeutet nur, dass sie sich Packung, Blister und Beipackzettel angucken. Stimmt dort etwas nicht, wird das gemeldet. Dann handelt es sich meist um Produktionsfehler. Ob in der Tablette auch drin ist, was draufsteht, könnten die Apotheken nicht prüfen. Auch die Mitarbeiter von Bettina Lange, die die Stadtapotheke in Radebeul-West und die Alte Apotheke in Weinböhla betreibt, seien verpflichtet, an jedem Tag wahllos eine Verpackung aus dem Medikamentenschrank zu greifen. Verglichen werde sogar die Packungsbeilage: Ist sie in deutscher Sprache? Welche Angaben zur Einnahme gibt es? Knapp 40 Punkte würden so, auch anhand von vergleichenden Abbildungen im Internet, geprüft. „Einmal hatten wir in den letzten Jahren bröselige Tabletten“, bekennt Bettina Lange. Etwas, das dann unverzüglich an die Arzneimittelkommission der deutschen Apotheken gemeldet werde. Von dort würden sofort alle Apotheken im Land aufmerksam gemacht und das Medikament auf Quarantäne gesetzt. Bis zur Klärung des Sachverhaltes dürfe es nicht mehr verkauft werden.
Barbara Seidel betreibt die Bethesda Apotheke direkt an der Radebeuler Elblandklinik. Hier holen besonders viele Patienten aus dem Krankenhaus, was sie brauchen, um gesund zu werden. Auch bei Seidel wird täglich ein Medikament stichprobenartig geprüft. Aber auch sie weiß, dass beispielsweise Herzkreislaufmedikamente aus anderen Ländern wie Indien und Polen stammen, nur das diese Herkunft nicht immer auf der Packung erkennbar ist. „Hundertprozentig nachvollziehbar sind die Wirkstoffe, wenn wir Medikamente selbst im Labor zubereiten, etwa Salben bei Hautkrankheiten.“ Laut der Apothekerin hätten sich schon Patienten gemeldet, wenn plötzlich etwas anders an ihrer Medizin war. „Dann wenden wir uns direkt an die Herstellerfirma und klären das auf“, so Seidel. Mitunter würden die Firmen auch mitteilen, wenn sich beispielsweise die Farbe des Medikaments ändert.
Was müssen Verbraucher beachten?
Bei den Elblandkliniken selbst erfolge der Einkauf von Arzneimitteln über die Apotheke zentral im Elblandklinikum Riesa, wie Sprecherin Sabine Seiler auf SZ-Anfrage mitteilt. Die Bestellung werde direkt bei den Arzneimittelherstellern ohne Zwischenhändler aufgegeben. „Wir haben wenige Sonderbestellungen über zertifizierte pharmazeutische Großhändler“, so Seiler. Deshalb könne sie versichern, dass noch keine Fälle von Arzneimittelfälschungen aufgetreten seien. Die Originalhersteller und die großen Generikafirmen wie Hexal und ratiopharm sicherten ihre Verpackungen gegen Fälschungen mit speziellen Codes. Die Hersteller seien zertifiziert.
Die größere Gefahr auf unsaubere Medikamente zu stoßen sei im Internet, sagt Apothekerin Bettina Lange. Zum Beispiel beim Thema Viagra. „Ein Kunde, der dieses Mittel haben möchte, soll vorher zum Urologen gehen und von dort mit dem Rezept in die Apotheke kommen“, rät die Radebeulerin. Manche würden aber lieber im Internet, auch im Ausland, bestellen. Da gebe es eine große Grauzone.
Ein Umstand, vor dem auch Tobias Böck warnt. Wie der Großenhainer Pharmazeut betont, sei es immer anzuraten, Medikamente in einer Apotheke zu kaufen. Hier seien die Vertriebswege eindeutig nachvollziehbar. Gerade bei sogenannten Lifestyle-Produkten würden im Internet teilweise hohe Preise aufgerufen – und der Käufer habe keine Kenntnis davon, welche Substanzen er eigentlich erwerbe. „Der sicherste Weg ist wirklich der Gang in die Apotheke“, rät Tobias Böck. Dem 35-Jährigen seien während seiner Tätigkeit in der Großenhainer Löwen-Apotheke zwar noch keine Fälschungen untergekommen. Aber darauf verlassen würde man sich nicht. Im Gegenteil. Regelmäßig würden Stichproben vor- und einzelne Packungen genau unter die Lupe genommen.
Mittels der Kontrollen in Apotheken, so die Arzneimittelkommission der deutschen Apotheken (AMK), würden in den rund 20 000 Einrichtungen rund sechs Millionen Stichproben durchgeführt. Pro Jahr würden von den Medikamenten-Geschäften etwa 10 000 Verdachtsfälle gemeldet.
Bei Kontrollen würden auch Arzneimittel-Fälschungen und -Manipulationen auffallen. Diese seien aber sehr selten. Im Jahr 2016, so die AMK, seien 14 Fälle mit Verdacht auf Arzneimittelfälschungen registriert worden. Aber keines der Medikamente aus Apotheken war wirklich gefälscht, heißt es in einer AMK-Mitteilung. Sollte es dennoch auftreten, würden innerhalb weniger Stunden die betroffenen Arzneimittel aus allen deutschen Apotheken zurückgerufen.