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Fußball Ja, Rassismus Nein

Auch kleine Vereine haben leidenschaftliche Fans. Die aus Jöhstadt engagieren sich gegen Fremdenfeindlichkeit. Das ist nicht immer einfach.

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© Screenshot: SZ

Von Thilo Alexe

Der Kleinbus war gebucht. Und für die, die nicht fahren mussten, gab es genügend Dosenbier. Alles klar also für ein knackiges Fußballfest in der Kreisklasse. Doch es kam anders – und man muss etwas ausholen, um zu verstehen, was passiert ist.

Der unweit der Grenze zu Tschechien beheimatete SV 90 Jöhstadt hat sogenannte Ultra-Fans. Dass Borussia Dortmund oder Bayern München Anhänger haben, die auf den Stehplätzen Stimmung machen, Gesänge intonieren und ihr Team nach Mönchengladbach und Madrid begleiten, überrascht kaum.

Ultras in Amateurvereinen sind dagegen selten. Die aktive Spezies ist meist leidensfähig, hat einen ausgeprägten Hang zur Selbstironie, manche der Gruppierungen sind – so wie beim Dresdner Sportclub – eher linksorientiert. Und alle eint, dass sie auf dem Dorfsportplatz so tun, als stünden sie im Bernabeu-Stadion.

Zurück nach Jöhstadt: Der Bus macht sich auf zum Kreisklassenspitzenreiter, der zweiten Mannschaft von Tanne Thalheim. Die etwas mehr als ein Dutzend Unterstützer der Fanszene Jöhstadt machen an der Gegengerade Stimmung.

Sie sind mit 70er-Jahre Perücken kostümiert und hängen Banner auf: „Love Football, Hate Raciscm“ („Liebe den Fußball, hasse Rassismus“) steht da. Und das in der Antifa-Szene verbreitete Motto „Good Night White Pride“, eine markante Absage an die von Neonazis gepriesene Überlegenheit der weißen Rasse.

In Thalheim kommt das offenbar nicht überall gut an. Allerdings lässt sich nicht mehr exakt rekonstruieren, was vor zwei Wochen genau passiert ist. Aussage steht gegen Aussage. Die Fanszene Jöhstadt beschreibt auf ihrem Facebook-Auftritt, wie es bereits kurz nach Anpfiff für sie unangenehm wurde. „5-6 Leute, die nicht gerade freundlich aussahen, machten sich an unserer Good Night White Pride-Fahne zu schaffen. Als wir die Situation bemerkten und uns dagegen wehrten, wurden wir als Scheiß Zecken beschimpft.“ Dann werden die Fans, so schildern sie es, beworfen, schließlich unterbricht der Schiedsrichter kurz, zwei Ordner kommen und die Situation beruhigt sich – bis zum Abpfiff.

O-Ton Fanszene: „Für den Rest des Spiels blieb es dann relativ ruhig, aber kaum nach dem Schlusspfiff standen wieder die 5-6 Typen vom Spielbeginn um uns herum und wurden diesmal sogar handgreiflich und stießen einige von uns weg.“ Auch Tanne-Spieler hätten sich eingemischt „und glänzten aber nicht wirklich mit ihrer Wortwahl.“ Schließlich geht es im Bus die 40 Kilometer zurück. Es bleibt der Schock. „Seit unserer Gründung haben wir noch nie einen ähnlichen Vorfall ... erlebt“, schreiben die Erzgebirgsultras.

Auch der Jöhstädter Verein zeigt sich empört und verurteilt „diese Drohungen“. Tanne Thalheim hat einen anderen Blick auf die Geschehnisse. Die rund 300 Fußballspieler des Vereins „in einen Topf zu stecken mit rechtsradikalem und rassistischem Gedankengut“ gehe „weit unter die Gürtellinie“. Den Facebook-Autoren unterstellt der Club, alkoholisiert gewesen zu sein. Nach einem Telefonat mit dem Jöhstädter Vereinschef „sollte die Sache vorerst für uns Fußballer erledigt sein“. Ergänzt wird das mit einem heimatlichen Zitat: „Oh Arzgebirg wie biste schie.“ Die Ultras, die bereits Einnahmen aus einem Turnier gegen Rassismus Eltern krebskranker Kinder spendeten, wollen nicht mit der Presse reden. Der Vorfall zeigt, wie sich die Stimmung auf Amateurplätzen aufheizen kann – nicht nur, wenn es Elfmeter gibt.