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Fremdenangst & Wendeenttäuschung

Ein neues Buch will einen Überblick über die Erforschung der Pegida-Bewegung liefern. Einige wichtige Fragen kann auch dieses Werk nicht klären.

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© dpa

Ist Dresden Quelle, Kulisse oder vielleicht sogar Avantgarde im politischen Diskurs Deutschlands? Ist Pegida eine Provinzposse oder Vorbote eines neudeutschen Rechtspopulismus? Woher kommt die Abneigung gegen vieles, was fremd erscheint?

Solchen Fragen versucht das Buch „Pegida – Rechtspopulismus zwischen Fremdenangst und ,Wende‘-Enttäuschung“ nachzugehen. In 23 Beiträgen liefern die Autoren verschiedener Forschungsdisziplinen um die Herausgeber Karl-Siegbert Rehberg, Franziska Kunz und Tino Schlinzig von der TU Dresden einen umfassenden Überblick über die aktuelle Forschung zu Pegida. Das Werk basiert auf einem Soziologieforum Ende November in Dresden, bei dem Pegida-Anhänger mitdiskutierten. Neben mit Zahlen und Daten angereicherten Analysen versuchen einige Autoren, in Essays die Bewegung zu charakterisieren.

Nachdem bereits einige Bücher über die frühe Phase von Pegida erschienen sind, setzt sich dieses nun mit der Weiterentwicklung auseinander. So stellt der Düsseldorfer Soziologieprofessor Karl-Heinz Reuband fest, dass die Demonstrationsteilnehmer inzwischen älter, aber immer noch mehrheitlich männlich sind. Sie sähen sich in der politischen Mitte, neigten vorwiegend der AfD zu und glaubten, die meisten Bundesbürger fänden Pegida gut.

Reuband zufolge teilten viele Bürger zwar einzelne Ansichten, stünden Pegida aber ablehnend gegenüber. Andere Autoren sehen in rechtspopulistischen Umtrieben in Deutschland den Versuch, sich eine immer komplexer werdende Welt vom Leibe halten zu wollen. Auch die soziale Ungerechtigkeit und Verteilungskonflikte zwischen Arm und Reich werden als mögliche Ursachen für den Rechtsruck in Teilen der Bevölkerung genannt. Ebenso ein Gefühl von Fremdbestimmtheit, ausgelöst durch im Osten eingesetzte westdeutsche Verwaltungsexperten nach der Wende und nun durch eine abgehobene Politik, die für die Bürger nicht mehr erreichbar sei.

Das Buch konzentriert sich nicht nur auf Pegida, sondern weitet den Fokus auf den aufkeimenden Rechtspopulismus in Deutschland aus. Auch wenn die Teilnehmerzahlen bei Pegida in Dresden inzwischen auf niedrigem Niveau stagnieren, komme dieses Werk nicht zu spät, sagt Mitherausgeberin Franziska Kunz. Das Phänomen Rechtspopulismus bleibe erhalten, ebenso eine gewisse Spaltung in politischen Fragen zwischen Ost und West.

Ob Pegida trotz des Streits von Lutz Bachmann und Ex-Frontfrau Tatjana Festerling weiter mobilisieren kann, ist unklar. Am Montag wollte Bachmann den Anhängern in Dresden wegen seines Wegzugs auf die spanische Insel Teneriffa die Vertrauensfrage stellen. Festerling hatte ihr Kommen ebenfalls angekündigt. (SZ/two)

„PEGIDA – Rechtspopulismus zwischen Fremdenangst und ,Wende‘-Enttäuschung?“ von Karl-Siegbert Rehberg, Franziska Kunz und Tino Schlinzig (Hrsg.) ist im Transcript Verlag erschienen und kostet 29,99 Euro.