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Freispruch im Volksverhetzer-Prozess

Einem Coswiger werden vier Schafe getötet und gestohlen. Doch vor Gericht sitzen nicht die Tatverdächtigen, sondern er.

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© Claudia Hübschmann

Von Jürgen Müller

Meißen. Seit Jahren züchtet der Hobby-Landwirt Toni Pahlig mit Liebe und Leidenschaft Schafe, darunter seltene Sorten. „Die Schafzucht ist mein Leben“, sagt der 27-Jährige, der mit einem T-Shirt mit der Aufschrift „Landwirt - Held auf dem Feld“ vor Gericht erscheint. Doch im Mai vor zwei Jahren dann der große Schock. Von einem Schwarzkopf-Mutterschaf findet er auf der Koppel nur noch bestialisch stinkende Innereien. Diese sowie Fell und Knochen ließen die Täter in einem blauen Sack zurück. Offensichtlich war das Schaf, das Pahlig einst aus der Lüneburger Heide holte und dafür fast 300 Euro zahlte, auf der Weide abgeschlachtet worden. Im August dann die nächste Tat. Diesmal wird ein Heidschnucken-Muttertier von der Weide geholt und getötet. Eine große Blutlache und Schleifspuren deuten darauf hin. Für den Landwirt ist klar, dass es mindestens zwei Täter gewesen sein müssen. Das rund 100 Kilogramm schwere Muttertier kann einer alleine nicht wegschaffen, ist er sich sicher. Auch zwei Lämmer werden geschlachtet und gestohlen. Der Coswiger hat einen Schaden von rund 1 000 Euro. Die Polizei kann als Tatverdächtige zwei Asylbewerber aus Nordafrika ermitteln. Doch auf der Anklagebank landen sie nicht. Die Staatsanwaltschaft Meißen hat die Verfahren gegen die 22 und 28 Jahre alten Tatverdächtigen eingestellt.

Doch es kommt noch schlimmer für den Coswiger. Vor Gericht sitzt nämlich er. Pahlig hatte auf Facebook aus Wut und Enttäuschung einen folgenschweren Satz gepostet und damit nach Auffassung der Staatsanwaltschaft gegen Asylbewerber gehetzt mit dem Satz: „Sie überlegen sogar, den Real eher zu schließen wegen dem Drecksvolk.“ Die Staatsanwaltschaft sah darin Volksverhetzung. Der Schafzüchter erhielt einen Strafbefehl, sollte eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 15 Euro, insgesamt als 1 350 Euro, zahlen. Dagegen legte er Einspruch ein. Am Dienstag wurde vor dem Amtsgericht Meißen verhandelt.

Dort hatten sich rund 150 Unterstützer des Landwirts eingefunden. Nur 14 konnten dem Verfahren beiwohnen. Mehr Besucher passen abzüglich der fünf Presseplätze nicht in den kleinen Saal 2. Die Richterin hatte es abgelehnt, das Verfahren im großen Saal durchzuführen. Dort gibt es rund 40 Besucherplätze.

Es ist unüblich und im Grunde auch nicht zulässig, dass es im Gerichtssaal nach der Verkündung eines Urteils Beifall gibt. Diesmal war dies der Fall, nachdem Richterin Ute Wehner den angeklagten Hobby-Landwirt freigesprochen hatte. Dessen Verteidiger Frank Hannig hatte zuvor argumentiert, sein Mandant habe nicht eine ganze Volksgruppe, sondern nur zwei konkrete Asylbewerber, die dem Landwirt Zuchtschafe gestohlen, geschächtet und gegessen hatten, gemeint. „Im August 2015 habe ich dann meiner Wut auch auf Facebook Ausdruck verliehen. Ich habe zu diesem Zeitpunkt und auch zu keinem anderen Zeitpunkt pauschal auf alle Flüchtlinge oder gar Ausländer meine Wut gelenkt, sondern ausschließlich auf diese widerlichen Täter, die meinen Tieren und mir das angetan hatten. Ich stehe auch zum heutigen Zeitpunkt erhobenen Hauptes vor diesem Gericht und erhalte meine Erklärung aufrecht. Wer auf so grausame Art und Weise fremden Menschen Tiere stiehlt und diese ausbluten lässt, ist ein Schwein. Wenn es strafbar ist, dass ich diese Meinung habe, nehme ich das hin“, ließ Pahlig seinen Anwalt erklären.

Wenn man diese Äußerungen als wahr unterstelle, und sie seien nicht zu widerlegen, fehle der Vorsatz, stellte Staatsanwalt Ingolf Wagner fest und plädierte auf Freispruch. So entschied auch das Gericht.

Verteidiger Hannig ist mit dem Ausgang des Verfahrens sehr zufrieden. In seinem Plädoyer hatte er darauf verwiesen, dass selbst die Bezeichnung „Drecksvolk“ zwar unschön sei, aber keine Formulierung, die zum Hass aufstachele. „Wir sollten als Juristen die Kirche im Dorf lassen und diejenigen Hetzer bestrafen, die wirklich zum Hass aufrufen“, sagte er. Die Äußerung seines Mandanten sei höchstens eine Beleidigung gewesen.

Tino Pahlig spart zwar nun die 1 350 Euro Geldstrafe, seinen Schaden wird er aber nicht ersetzt bekommen. Er habe nichts gegen Ausländer, habe ausländische Erntehelfer und viele ausländische Freunde, sagte er der SZ.