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Freie Fahrt in Bad Muskau

Während es an der deutsch-tschechischen Grenze wieder Kontrollen gibt, sind die Neißebrücken gut zu passieren – noch.

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© André Schulze

Von Alexander Buchmann, Sabine Ohlenbusch und Ralph Schermann

Zwei Polizeitransporter stehen auf dem Bad Muskauer Grenzvorplatz. Während es an der deutsch-tschechischen Grenze seit Montag Kontrollen gibt, setzt die Polizei entlang der Neiße lediglich auf mehr Präsenz. Das bestätigt auch Bad Muskaus Bürgermeister Andreas Bänder: „Ich war an der Grenze und habe gesehen, dass die Bundespolizei steht“, so Bänder. Auch am Grenzübergang in Podrosche und der neuen Brücke in Krauschwitz wird stichprobenartig kontrolliert. Der Krauschwitzer Bürgermeister Rüdiger Mönch bestätigt das auch – und sagt: Es sei alles wie immer. Die zwei Grenzbürgermeister hoffen nur, dass die Bundespolizisten nicht abgezogen werden, um anderswo Dienst zu schieben.

Auch in Deschka und Görlitz ist wenig von stärkeren Grenzkontrollen zu bemerken. Zwar versucht die Bundesregierung mit der Wiedereinführung von Kontrollen an Binnengrenzen eine Kanalisierung des anhaltenden Flüchtlingsstromes zu erreichen, beschränkt dies vor allem aber bisher auf die Grenze zu Österreich. „Dafür greifen wir auf alle verfügbaren Einheiten und Dienststellen zurück“, bestätigt Ivo Priebe vom Bundespolizeipräsidium Potsdam. Das wiederum betrifft auch den Kreis Görlitz. Viel Personal ist in München.

Firmenchefs bleiben gelassen

.Die Festlegung wurde vom Bundesinnenministerium getroffen, was auch Görlitzer Bundes- und Landespolitiker begrüßen. MdB Thomas Jurk (SPD) findet keinen Widerspruch: „Ich gehe davon aus, dass die Bundespolizei die Lage richtig einschätzt.“ MdB Michael Kretschmer (CDU) rechnet mit länger andauernden Kontrollen und bewertet diese als Beginn einer „ehrlichen Bestandsaufnahme“. Seiner Meinung nach „funktionieren die Regeln in der EU zum großen Teil nicht. Die Entscheidung zu Grenzkontrollen ist richtig, denn wir müssen unsere Handlungsfähigkeit wieder zurückbekommen. Wir wollen Flüchtlingen helfen, aber die Entscheidung und das Verfahren müssen in unserer Hand liegen.“

Für die AfD ist eine Wiedereinführung von Grenzkontrollen überfällig. „Wir haben das schon im Wahlprogramm 2014 gefordert“, sagt der Görlitzer Landtagsabgeordnete Sebastian Wippel. Für ihn bleibt jedoch die illegale Einwanderung „nur eine Facette in Sachen offener Grenzen. Eine andere sind die seit Jahren steigenden Straftaten im grenznahen Raum.“ Und der Landtagsabgeordneten Lothar Bienst betont zudem: „Die Kontrollen werden nicht ewig bleiben. Die Verteilung der Flüchtlinge muss Europasache sein, damit sind wir als Bundesrepublik überfordert.“ Auf Sachsen sieht er keine größeren Probleme zukommen: „Polen ist nur begrenzt durch Flüchtlinge aus der Ukraine betroffen; Tschechien sieht sich eher konfrontiert. Er zeigt sich optimistisch, dass innerhalb der Europäischen Union vernünftige Lösungen erarbeitet werden.

Viele Firmen an der Neiße sehen derzeit auch keinen zusätzlichen Bedarf für verschärfte Grenzkontrollen. Manche betonen sogar: „Die Grenzkriminalität hat merklich nachgelassen“, sagt Volker Altus, Prokurist der Firma Celltechnik Lodenau. Dort ist in vergangenen Jahren häufiger eingebrochen worden. „Wir haben selbst Sicherheitsmaßnahmen ergriffen und einen Zaun gebaut.“ Der kaufmännische Leiter der Firma Kreisel Umwelttechnik in Krauschwitz, Steffen Schröder, steht der momentanen Wachsamkeit neutral gegenüber, ist aber gegen Kontrollen auf Dauer. „Wir haben grundsätzlich von der Freizügigkeit profitiert. Das Wohlstandsgefälle sinkt merklich und für uns ist Polen vor allem ein Absatzmarkt“, sagt er. Und fügt hinzu: „Ich sehe keinen Grund zu sagen: ‚Hurra, die Grenze ist zu!’ Ich will nicht an einem Fluss mit einem Zaun wohnen. Mir graut es noch heute vor ‘89, als die Drahtrollen schon bereit lagen.“

Dass seit Montag an der sächsisch-tschechischen Grenze der Reiseverkehr stärker überwacht wird, entspricht der Forderung von Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU). Und Christian Meinhold von der Bundespolizeidirektion Pirna berichtet: „Es gibt dazu bisher keine alarmierenden Erkenntnisse, aber wir müssen vorbereitet sein.“ Komplexe Kontrollen an der sächsisch-polnischen Grenze seien derzeit überhaupt nicht vorgesehen.

Für den Fall aber, dass auch an allen Brücken zwischen Hagenwerder und Bad Muskau wieder jedes Fahrzeug gestoppt werden sollte, gibt es seit dem Wochenende bereits Gespräche zwischen den Chefs der Bundespolizeiinspektion Ludwigsdorf und der Zgorzelecer Grenzschutzabteilung. Der Aufwand wäre aber enorm: Allein während der kurzzeitigen Grenzkontrollen zum G 7 Gipfel wurden damals bundesweit 362 000 Menschen überprüft und 3 517 festgenommen. Auch die Kontrollen auf den Bahnhöfen würden bei Erfordernis wieder aufgenommen. Ob und wann die Region mit infrage kommt, ist offen.