Merken

Helfer geben Tipps zum Untertauchen

Der Verein Buntes Radebeul ist in die Kritik geraten. Er veröffentlicht Abschiebe-Termine.

Teilen
Folgen
NEU!
© dpa

Von Peter Anderson

Radebeul. Die Angaben sind detailliert, allerdings fehlen Quelle und Absender. In einem Eintrag auf seiner Facebook-Seite hat der Verein Buntes Radebeul am frühen Dienstagnachmittag vor Sammelabschiebungen nach Albanien, Serbien und in den Kosovo gewarnt. Diese sollten in der Nacht zum Nikolaustag sowie in der Nacht vom 7. auf den 8. Dezember stattfinden. Die Flüge gingen von Leipzig über die albanische Hauptstadt Tirana ins kosovarische Pristina sowie nach Belgrad in Serbien. Wörtlich heißt es am Ende: „Bitte die Termine an alle Betroffene in Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg weitergeben. In der Regel treffen die Termine zu!“

Für den Ausländerbeauftragten des Freistaates Sachsen und Riesaer Landtagsabgeordneten Geert Mackenroth (CDU) sind solche Tipps an Flüchtlinge, die kein Asylrecht in Deutschland zuerkannt bekommen, ein stetes Ärgernis. Nicht zum ersten Mal registriere er Beiträge mit diesem Inhalt im Internet, sagt der Christdemokrat. Tatsächlich findet sich der Aufruf gleichlautend auf den Seiten des Antirassistischen Netzwerks Sachsen-Anhalt, des Roma Centers Göttingen und der Magdeburger Gruppe Borderless Solidarity.

Geert Mackenroth findet dafür klare Worte: „Das geht gar nicht“, sagt der Jurist der SZ. Letztlich werde auf diese Weise geholfen, „einen illegalen Zustand fortzusetzen.“ Das Asylrecht habe zwei Seiten. Es erlaube tatsächlich schutzbedürftigen Menschen den Aufenthalt in Deutschland. Wem dieser Status nicht zustehe, der müsse jedoch in seine Heimat zurückkehren. „So sehen die Gesetze aus. So ist es demokratisch von einer Mehrheit beschlossen worden“, sagt der Ausländerbeauftragte. Wer daran etwas ändern wolle, solle sich neue Mehrheiten suchen.

Eine problematische Parteilichkeit erblickt der Großenhainer CDU-Landtagsabgeordnete Sebastian Fischer in dem Radebeuler FB-Post. „Die Bündnisse machen einen tollen Job, so lange sie sich neutral verhalten. Coswig oder auch Großenhain sind dafür Beispiele“, so Fischer. Durch Angaben zu bevorstehenden Rückkehraktionen, welche die Arbeit staatlicher Stellen behinderten, würden sie sich jedoch selbst ins Abseits stellen. Dies gefährde eine breite Akzeptanz in der Gesellschaft.

Einer Anfrage von Fischer an das Staatsministerium für Gleichstellung und Integration hat dem Christdemokraten zufolge ergeben, dass der Verein Buntes Radebeul von dort bislang keine staatlichen Fördermittel erhält. Selbst wenn dies so wäre, böte der Facebook-Eintrag laut Fischer jedoch keine Handhabe, Buntes Radebeul Gelder zu entziehen. Hier handele es sich eher um moralische Kategorien. Juristische Konsequenzen prüft dagegen das Sächsische Staatsministerium des Inneren. „Solche Aufrufe erschweren natürlich die Arbeit der Kollegen“, so ein Sprecher am Mittwoch. Die erzwungene Ausreise stelle den letzten Schritt dar, nachdem alle rechtlichen Mittel ausgeschöpft seien und eine freiwillige Heimkehr nicht stattfinde.

Nach Angaben auf seiner Internet-Seite möchte das Bündnis Buntes Radebeul „das Miteinander von Flüchtlingen und schon länger hier lebenden Radebeulerinnen fördern.“ Die Situation der Flüchtlinge in Radebeul solle verbessert und etwas für Menschenfreundlichkeit und gegen Rassismus getan werden. Konkret genannt werden u.a. Verkehrsschulungen sowie Fahrradreparaturen und Nähzirkel.

Der Verein nahm bislang keine Stellung zu dem Vorfall. Auf eine kurz nach acht Uhr am Mittwochmorgen an drei E-Mail-Adressen verschickte Mail hat der Verein am Mittwoch innerhalb von zehn Stunden nicht geantwortet. In einem Telefonat um die Mittagszeit bestätigte Vorstandsmitglied Jeannette Eckel den Eingang der Mail und sagte, die Antworten müssten zwischen allen Vorstandsmitgliedern abgestimmt werden. Dies brauche Zeit. Die SZ hatte sich erkundigt, ob mit den Informationen Flüchtlinge zum illegalen Untertauchen animiert werden sollten und wie sich das mit der Gemeinnützigkeit des Vereins vereinbare.