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Flüchtlinge sollen Unterkünfte selbst bauen

Wohncontainer gibt es kaum noch zu kaufen. Meißens Landrat Arndt Steinbach hat deshalb eine Idee.

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© dpa

Von Peter Anderson

Meißen. Hilfe zur Selbsthilfe. Das bewährte Prinzip aus der Entwicklungspolitik soll im Landkreis Meißen den Engpass bei Unterkünften für Asylsuchende beheben. Der Verwaltungsausschuss des Kreistages hat am Donnerstagabend dazu ein Pilotprojekt beschlossen.

Geplant ist demnach, auf einem Grundstück der Gemeinde Klipphausen im Ortsteil Röhrsdorf ein erstes Fertigteilhaus durch die Tischlerei und Zimmerei Auerbach & Hahn aus Grumbach errichten zu lassen. Die Unterkunft würde der Vorlage zur gestrigen Ausschusssitzung zufolge Platz für 29 Ausländer bieten.

Dies ist jedoch nur der Anfang. In einem nächsten Schritt sollen die Flüchtlinge selbst weitere Fertigteilhäuser für den nächsten Schub an Neuankömmlingen montieren und wohnlich gestalten. Bis zu 100 Asylbewerber könnten auf diese Weise auf der Fläche gegenüber dem Gewerbegebiet in selbst gebauten Häuschen unterkommen.

Das Landratsamt verfolgt mit seinem Vorschlag mehrere Ziele gleichzeitig. Erstens sollen damit dringend benötigte neue Räume geschaffen werden. Der Behörde zufolge ist in den nächsten Wochen mit wöchentlich fast 100 Neuankömmlingen im Kreis zu rechnen. Die Zahlen hätten sich seit der letzten Ansage der Staatsregierung verdoppelt. Zweitens wird durch den Eigenbau das Geld in der Region gehalten und kommt dem heimischen Handwerk zugute. Drittens erhalten die Flüchtlinge durch die Selbsthilfe eine Aufgabe. Gewaltausbrüche wie jüngst in der Erstaufnahme im Meißner Stadtteil Bohnitzsch werden vermieden. Zudem ergeben sich durch den Kontakt zu deutschen Firmen neue Möglichkeiten der Integration.

Potenzial für Arbeitsmarkt testen

Beifall für den innovativen Vorschlag spendete der CDU-Landtagsabgeordnete Sebastian Fischer, Er sprach von einer guten Lösung. Beim Koalitionspartner der CDU im Kreistag, der FDP- und DSU-Fraktion, dürfte Steinbach mit seiner Initiative offene Türen finden. In einem der SZ vorliegenden Positionspapier fordern die Liberalen ausdrücklich Hilfe zur Selbsthilfe als Grundlage der Flüchtlingspolitik ein. Die Asylsuchenden sollten das Ausgeben des Essens, das Saubermachen und Waschen ihre Kleider selbst übernehmen. Dadurch würden Konflikte vermieden und gleichzeitig brachliegende Kompetenzen genutzt, so die Vorsitzende der Fraktion Anita Maaß.

Zimmermeister Ludwig Hahn vom beauftragten Holzbaubetrieb in Grumbach bei Wilsdruff erläuterte gestern Nachmittag gegenüber der SZ erste Details zu den Holzhäuschen. In standardisierte Rahmen sollten Wandelemente mit einfachen Fenstern und Türen montiert werden. Alles sei so konstruiert, dass es sich schnell und einfach zusammenfügen lasse. Dämmstoff zwischen Platten sorge dafür, dass die Heizkosten im Rahmen blieben. Außen werde die Fassade mit Holz verkleidet. Aufgrund der Kurzfristigkeit des Auftrages lägen bislang noch keine abschließend beratenen Konstruktionsunterlagen vor, die der Öffentlichkeit präsentiert werden könnten.

Verantwortungsgefühl für eigene vier Wände

Der Kreistagsvorlage zufolge rechnet das Landratsamt Meißen mit Kosten von 350 000 Euro für den Bau der Unterkünfte in Röhrsdorf. Dazu kommen weitere 85 000 Euro, um Leitung für Wasser, Strom und Abwasser zu verlegen, sowie geschätzte 45 000 Euro an Nebenkosten. Diese Ausgaben entsprächen vergleichbaren Angeboten mit Containern.

Der Modellbau in Röhrsdorf kann von den Asylsuchen mithilfe eines Leitmonteurs leicht kopiert werden. „Die Handgriffe lassen sich zeigen. Das geht auch ohne größere Deutschkenntnisse“, so Zimmermeister Ludwig Hahn. Die Flüchtlinge sollten ebenso die nach dem Rohbau anfallenden zeitaufwendigen Handarbeiten wie Tapezieren und Streichen übernehmen. Auf diese Weise entwickele sich ein Gefühl der Verantwortung für die eigenen vier Wände.

Sicherheitsrelevante Arbeiten wie der Einbau von Brandmeldern und der Elektrik blieben Spezialisten vorbehalten. In der Zusammenarbeit mit heimischen Firmen lasse sich prüfen, welches Potenzial die Ausländer für den deutschen Arbeitsmarkt darstellten.

Parallel zu dem Pilotprojekt hat der Verwaltungsausschuss den Landrat am Donnerstagabend beauftragt, neben dem Klipphausener Ortsteil Röhrsdorf weitere Standorte für ähnliche Fertighaus-Siedlungen zu erschließen. Am ehesten dürften dafür die bereits zuvor als Stellplätze für Wohncontainer angedachten Flächen infrage kommen. Dazu zählen in Lommatzsch ein Grundstück am Ortsausgang in Richtung Riesa sowie Grundstücke in Moritzburg.