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Festspiele in Tüll und Seide

Leipzig erlebt das 24. Wave-Gotik-Treffen mit 20 000 Anhängern aus der ganzen Welt.

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© dpa

Von Sven Heitkamp, Leipzig

Leipzig. Der Clara-Zetkin-Park ist in alle Varianten von Schwarz aus Tüll, Seide und Latex getaucht. Tausende Männer und Frauen flanieren in aufwendigen Gewändern, zeigen opulente Dekolletés von Spitze umhüllt, halbnackte Hintern, viel Schmuck und Schminke, dazwischen taucht eine Dunkelhäutige im cremeweißen Kleid auf: Schaulaufen zum Viktorianischen Picknick, dem traditionell spektakulären Auftakt des Wave-Gotik-Treffens (WGT) am Pfingstwochenende in Leipzig.

Wave-Gotik-Treffen in Leipzig

Am Pfingstwochenede sind 21.000 Fans der schwarzen Szene zum Wave-Gotik-Treffens nach Leipzig gekommen.
Am Pfingstwochenede sind 21.000 Fans der schwarzen Szene zum Wave-Gotik-Treffens nach Leipzig gekommen.

Michele aus Rom ist auch dabei, der 37-Jährige trägt eine schwarze Fantasie-Uniform mit Borten, Schulterstücken und Abzeichen aus halb Europa und fotografiert die anderen. Es ist sein drittes Wave-Gotik-Treffen. „Wenn du einmal hier warst, kommt du immer wieder“, sagt Michele.

Zum 24. Mal treffen sich seit Freitag die Anhänger der etwas düsteren Szene zu ihren schwarz-romantischen Festspielen in der Stadt. Mit 20 000 „Gothics“ aus dem In- und Ausland ist es alljährlich das größte Festival seiner Art und einmalig in der Welt. Junge Leute, in die Jahre gekommene Gruftis und ganze Familien aus allen Kontinenten prägen das Stadtbild, genießen die Begegnungen mit allen Facetten ihrer Subkultur und feiern friedlich.

Hauptort und Zeltplatz für Tausende Gäste ist das Agra-Gelände in Markkleeberg. Die halbe Stadt hat sich auf den Ansturm eingestellt, Bäcker backen Vampirzähne aus Pfannkuchenteig, Gastronomen bieten Absinth-Menüs, die Stasi-Unterlagen-Behörde zeigt eine Ausstellung über die Schwarze Szene in der DDR. Die Hotels der Stadt sind ausgebucht wie sonst nur zur Buchmesse. Das Spektakel rechnet sich. Das Welttreffen der Szene spült 15 Millionen Euro in die Kassen.

Für Sandra Apitzsch und Mathias Linke – selbst Leipziger – ist das WGT einmal im Jahr „die Gelegenheit, so herumzulaufen, wie wir gerne möchten“. Er trägt einen dunklen Frack mit Platin, sie ein langes dunkles Kleid und Zylinder. Kleidung, die sie extra anfertigen. Bis Montagabend gibt es Konzerte, Lesungen, Mittelaltermärkte, Theateraufführungen und Filme an 50 Spielorten in Leipzig, auch im Garten des Schillerhauses, der Oper in der Peterskirche, im historischen Stadtbad sowie im Völkerschlachtdenkmal. Als Kult gilt inzwischen der „Stricknachmittag für Schwarzromantiker“ des Hilfsvereins Nächstenliebe. Im Vordergrund steht für die meisten Gäste aber die Livemusik.

Mehr als 200 Bands und Künstler treten auf und spielen alle Arten dunkler Musik: Von mittelalterliche Klängen über „Goth-Metal“ bis zu elegischem Punk. Und selbst klassische Musik wie Wagner-Opern, Kammermusik, ein Orgelkonzert und Ballett gehören zum Programm.