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Felssturzgefahr in den Schwedenlöchern

Die Nationalparkverwaltung Sächsische Schweiz sperrt die bekannte Schlucht. Schon im Vorjahr wurden Wanderer von einem Steinhagel getroffen.

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Von Hartmut Landgraf

Rot-weißes Flatterband versperrt den Aufstieg in die Schwedenlöcher. Die Schlucht, einer der bekanntesten Wanderwege der Sächsischen Schweiz, ist seit gestern aus Sicherheitsgründen abgeriegelt. Grund: Im unteren Teil sorgt ein Felspfeiler für Gefahr. Eine tonnenschwere Sandsteinplatte könnte abbrechen und auf den Weg stürzen, so ein Ingenieurbüro, das den Pfeiler im Auftrag der Nationalparkverwaltung untersucht hat. Die Naturschutzbehörde handelte. Der Weg, der die Bastei mit dem Amselgrund verbindet, bleibt vorerst geschlossen.

Die Behörden waren gewarnt. Untersucht wurde der Pfeiler, weil sich in den Schwedenlöchern bereits im vergangenen Jahr ein Felssturz ereignet hatte. Am Pfingstsonntag 2012 löste sich 50 Meter oberhalb vom Weg eine zehn Kubikmeter große Platte vom Massiv ab und stürzte in die Schlucht. Zum Glück zerplatzte der Block in zahllose Stücke. Trotzdem wurden sieben Wanderer von dem Steinhagel getroffen und verletzt – drei mussten ins Krankenhaus. Schuld war, wie man später herausfand, eine Baumwurzel, die in eine Kluft zwischen Felsplatte und Massiv hineingewachsen war und die Platte immer mehr von der Wand weggedrückt hatte.

Kontrollierter Absturz empfohlen

Schätzungen zufolge wandern in der Urlaubssaison mehrere Hundert Touristen pro Tag durch die Schwedenlöcher. Bei schönem Wetter können es an einem Wochenende auch mal bis zu 2.000 Leute sein, sagt Nationalparkchef Dietrich Butter. Die Naturschutzbehörde hatte also allen Grund, das geologische Gutachten ernst zu nehmen – auch aus juristischen Gründen, weil ihr die Verkehrssicherungspflicht obliegt. Nun stellt sich jedoch die Frage, wie es weitergeht.

Das Ingenieurbüro empfiehlt, der Natur zuvorzukommen und den gefährlichsten Teil der Wand – eine etwa 20 Kubikmeter große Platte – kontrolliert zum Absturz zu bringen, sagt Dietrich Butter. Auch die Bereiche über und hinter der Scholle sind von Spalten durchzogen. Mit großem technischem Aufwand ließen sie sich vielleicht mit meterlangen Stahlankern an festere Teile der Wand pinnen und so stabilisieren.

Falls der gesamte Pfeiler zusammenbricht, wäre es ein Ereignis von etwa dem Ausmaß des spektakulären Abbruchs am Wartturm, der vor zwölf Jahren durch die Medien ging. Was hier getan werden kann, weiß der Nationalparkchef aber erst am Ende der Woche, wenn er die Kostenschätzung auf den Tisch bekommt. Schon jetzt steht fest, dass eine Felssanierung weit mehr Geld kosten würde, als die Nationalparkverwaltung aus ihrem Etat aufbringen kann. Die Behörde wird sich an ihre Dienstherren wenden müssen – den Sachsenforst und das Umweltministerium.

Das Prekäre: Die Sächsische Schweiz – wie jedes andere Gebirge auch – bröckelt nicht nur an einer Stelle, sondern an vielen. Nicht jeder Ort ist so bekannt wie die Schwedenlöcher, aber dass da, wo Verwitterung und Schwerkraft aufeinandertreffen, auf lange Sicht kein Stein auf dem anderen bleibt, ist eine physikalische Gesetzmäßigkeit. Das erschließt sich auch aus einer Datenbank des Landesamts für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG), in der alle bekannten Steinschlagereignisse erfasst werden.

Sie unterliegen zwar keiner Meldepflicht. Aber die Zahlen sprechen für sich: Für ganz Sachsen sind derzeit 470 Felsstürze, Steinschläge, Rutschungen und Muren gelistet – seit Beginn des 20. Jahrhunderts. 85 davon in den vergangenen zwölf Jahren in der Sächsischen Schweiz. Wo im Elbsandstein will man mit Felssanierungen anfangen, und wo aufhören?

Auch in den Schwedenlöchern gibt es keine Sicherheitsgarantie. Man werde alles tun, den Weg möglichst bald wieder zu öffnen, verspricht Dietrich Butter.