Merken

Feldlager mit Rollator

Um Großenhainer Senioren einen schönen Tag zu machen, öffnet ein Sammler für sie seine Panzerhalle. Das macht Erinnerungen lebendig.

Teilen
Folgen
© Anne Hübschmann

Von Birgit Ulbricht

Großenhain. Die Szene ist makaber. Aber nur auf den ersten Blick. Ein alter Herr schiebt seinen Rollator an einen alten T-34 heran, betastet den kalten Stahl. Schlimme Erinnerungen an Stalingrad, an die Kriegsgefangenschaft werden wach. Und doch war es ein Stück, wahrscheinlich das prägendste Stück seines Lebens. Um leben, um erinnern, manchmal auch aufblühen, lachen, weinen oder schweigen geht es Steffen Kummerlöw, wenn er mit seinen Senioren zu ganz besonderen Ausflügen loszieht.

Diesmal hat der Leiter des Großenhainer Seniorenheims „Pro Civitate“ seine Gruppe zum Abrissunternehmer Wolfgang Bothur gefahren. Der sammelt in seiner Freizeit Panzer und stellt sie in einer Halle aus. Es ist ein reiner Herrenausflug. „Feldlager“ hat es Steffen Kummerlöw genannt – ein Russenkäppi aufgesetzt, Tabletten und Verpflegung eingepackt und die Truppe aus Meißen und Großenhain in Kleinbusse verfrachtet.

Die meisten sitzen im Rollstuhl, als es munter zwischen den Hallen durch geht. Jedes alte Fahrzeug wird beäugt, manchmal kommt ein „Ja, damit sind die Russen bei uns auch durch den Ort gefahren“ oder ein „Der hat vielleicht Staubwolken gemacht, wenn er losgefahren ist“.

Manche schweigen hartnäckig den ganzen Vormittag. Doch als sie an den Tischen zwischen den Panzern eine Bockwurst und ein Bier in die Hand gedrückt bekommen, lächeln sie doch. „Alfred, ein Bier? Die Mutti ist nicht da.“ Alfred grummelt und fasst zu. Es gibt Suppe, Knacker, Hackepeter. Wer will, bekommt ein Schnäpschen. Danach gibt Kummerlöw eine Runde Tabletten aus. Jeder bekommt von den Betreuern seine Tablettenbox.

Doch heute ist das natürlich etwas ganz anderes als im Heim, selbst wenn die alten Herrschaften da sehr gut versorgt sind. Heute sind die Damen zu Hause geblieben, heute sind die Männer unter sich. Es wird geraucht und gelästert, es gibt die allerfettesten Speckscheiben, die man sich vorstellen kann, und die Brötchen werden mit Feld-Taschenmessern geschmiert.

Zum Abschluss des Ausfluges wird Kummerlöw seine Rentner wieder in die Kleinbusse einpacken und mit ihnen zum Flugplatz fahren – da startet dann ein kleines Flugzeug von der langen Landebahn – und die Kleinbusse fahren ein Stück auf der Landebahn nebenher, ganz so, als könnten sie mitfliegen.

Steffen Kummerlöw bezeichnet sich gern als Verrückten. „Sterben kann man auch im Pflegeheim“, antwortet er auf die Frage, ob der Ausflug nicht für den ein oder anderen zu anstrengend sei. Schließlich ist für alles gesorgt, samt Betreuer – auch Angehörige sind mitgekommen. Familiärer Anschluss ist dem Leiter wichtig. Seine Senioren waren im Arbeitsleben Krankenfahrer, Schlosser, Ladenbesitzer oder Jockey wie Axel. Letzterer ist nur mitgefahren, weil Kummerlöw etwas gemogelt und erzählt hat, es gehe nach Hoppegarten.

Aber Axel hat dem Chef die Flunkerei verziehen. Seit einem Schlaganfall sitzt er im Rollstuhl, kann sich nur schlecht verständlich machen. Jeder hat irgendetwas – die Betreuer nehmen das mit Humor, geradezu Entertainment. Was nicht verdeckt, hier geht es um die Pflege von alten Menschen.

Wie Kummerlöw auf seine Ausflugsideen kommt? „Man muss nur zuhören, worüber sie sich unterhalten, woran sie sich erinnern“, sagt er lapidar. Und pflegen die Frauen als Pendant Damen-Runden? „Nu klar, wir haben am Donnerstag alle Osterbrunnen im Landkreis abgeklappert“, sagt Kummerlöw begeistert und schmiert seinen alten Herren noch ein paar Brötchen.