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Feldbetten im Real-Markt

Das große Gebäude in Niederau im Landkreis Meißen wird ein Reserve-Lager für Asylheime. Doch der Bürgermeister hat ganz andere Pläne.

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© Claudia Hübschmann

Von Peter Anderson und Heike Sabel

Niederau/Dresden. Schneller als gedacht scheint sich eine neue Aufgabe für die riesige Halle des früheren Real-Marktes in Niederau gefunden zu haben. Das Sächsische Innenministerium hat jetzt SZ-Informationen bestätigt, wonach auf dem von September 2015 praktisch bis Ende Juni 2016 als Flüchtlingslager genutzten Gelände Reserven Platz finden sollen, mit deren Hilfe sich im Notfall Erstaufnahmen für Asylbewerber ausstatten lassen.

Konkret ist die Rede von Feldbetten und Hygieneartikeln. Dabei handele es sich nach Aussagen des DRK um Material, welches im Zusammenhang mit dem starken Flüchtlingszustrom in der Vergangenheit angeschafft wurde. Derzeit sei noch nicht abschließend entschieden, ob oder in welchem Umfang diese Bestände für Zwecke des Katastrophenschutzes übernommen werden könnten, so die Pressereferentin des Innenministeriums Patricia Vernhold. Dazu stimmten sich die Behörden ab.

Ursache für die neue Funktion von Niederau ist ein Coup in Heidenau. Bürgermeister Jürgen Opitz (CDU) hatte dort Anfang dieses Jahres verkündet, das Areal des früheren Praktiker-Baumarkts – welches zwischenzeitlich Erstaufnahme und letzthin Materiallager war – sei an das nahe gelegene Möbelwerk verkauft. Das ging alles ungewöhnlich schnell. Hinter den Kulissen hatte Opitz schon länger die Fäden gezogen. Die Lager-Variante sei für ihn nur eine Übergangslösung gewesen, sagt er. Er habe eine dauerhafte gewollt. Das Möbelwerk war nicht der einzige Interessent für das Grundstück, bestätigt der seit diesem Jahr zuständige sächsische Staatsbetrieb Zentrales Flächenmanagement (ZFM). Zur konkreten Zahl der Bewerber will das ZFM aber keine Angaben machen.

Mietvertrag als Hemmnis

Auch zum Kauf- und Verkaufspreis halten sich die Beteiligten bedeckt. Jedoch stand in der Ausschreibung der Mindestpreis von 2,5 Millionen Euro. Das soll verschiedenen Quellen zufolge auch genau die Summe gewesen sein, die der Freistaat 2015 an den Vorbesitzer, einen britischen Immobilienkonzern, gezahlt hatte. Nach SZ-Informationen soll Sachsen beim jetzigen Verkauf kein Minus gemacht haben.

Das Möbelwerk befindet sich historisch bedingt in einem mehrgeschossigen Gebäude. Die Praktiker-Halle bietet dem Betrieb die Chance, ebenerdig zu produzieren. Die genauen Pläne und Vorhaben sollen Ende März vorgestellt werden, sagt Werkleiter Maik Hippel.

In Niederau sind für das neue Lager laut Innenministerium derzeit keine größeren Investitionen geplant. Auch wie lange der frühere Real-Markt dafür in Beschlag genommen wird, stehe nicht fest. Andere Pläne für die Immobilie gebe es aktuell nicht.

Bürgermeister Steffen Sang (parteilos) hofft langfristig darauf, wieder Einzelhändler für den Standort interessieren zu können. „Für die nicht mobilen Einwohner unserer Gemeinde wäre das ein großer Gewinn und auch ein sozialer Treffpunkt“, sagte er am Dienstag der SZ. Sang könnte sich auch vorstellen, Geschäfte mit anderen Angeboten wie zum Beispiel Arztpraxen zu kombinieren. Erste Vorgespräche mit möglichen Mietern habe es bereits gegeben.

Problematisch für solche Pläne könnte der zwischen Freistaat und Grundstückseigentümer geschlossene Mietvertrag sein. Dieser wurde nach SZ-Informationen auf der Höhe des Flüchtlingszustroms gleich auf viele Jahre hinweg abgeschlossen. Über die genauen Details schweigt die Landesdirektion Sachsen, da „Vertraulichkeit über alle Vertragsinhalte vereinbart“ worden sei, so Pressesprecher Holm Felber. Schwer vorstellbar, dass der Immobilienbesitzer das Land ohne entsprechenden Ausgleich aus dem lukrativen Vertrag entlässt. Möglich werden dürfte dies höchstens über eine entsprechende Ablöse. So hatte sich beispielsweise der Landkreis Meißen erst jüngst für zwei Millionen Euro aus einem ebenfalls langfristig laufenden Mietvertrag für ein Bürogebäude auf dem Prasseweg 9 in Neusörnewitz herausgekauft. Ohne eine ähnliche Lösung dürfte die Zukunft des Ex-Real-Geländes vorerst blockiert bleiben.

In seiner knapp neunmonatigen Periode als Asyl-Erstaufnahme hatte der Standort Niederau mehrfach für Negativ-Schlagzeilen gesorgt. So waren während des Aufbaus Einsatzkräfte des THW von Pöblern angegriffen worden. Später kam es in dem Lager selbst zu einer Schlägerei zwischen Ausländern. Das schnelle Aus für die Einrichtung kam dann eher überraschend.