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Fehlende Empathie in kalter Halle

Rund 1.500 sächsische Flüchtlingshelfer folgten der Einladung zur Dankeschön-Party der Landesregierung nach Dresden. So richtig warm wurde man nicht miteinander.

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© Ronald Bonß

Ulrich Wolf

Nein, es kam dann doch nicht zu einer offiziellen Übergabe des Protestbriefes. Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich hatte das von rund 70 Flüchtlingsinitiativen unterstütze Schreiben schon in seiner Anzugsjacke stecken, ehe er am Freitagabend die Dankeschön-Party vor rund 1 500 ehren- und hauptamtlichen Asylhelfern und Gästen eröffnete.

Der Christdemokrat wertete das Engagement der Bürger als „starkes Zeichen der Barmherzigkeit und Hilfsbereitschaft“. Tillich wiederholte seine Aussage von der Notwendigkeit eines „starken Staates“, der auch die Helfer schützen müsse. „Wir werden uns bessern“, versprach er - und erntete nur zaghaften Applaus. Regierungsvize Martin Dulig von der SPD, der am Freitagabend seinen 42. Geburtstag feierte, mahnte, schon der Missbrauch der Sprache in Form von Hass und Verachtung ende oft in Gewalt. Er appellierte: „Helfen Sie mit, Haltung dagegen zu zeigen.“

Die Flüchtlingshelfer waren aus allen Teilen Sachsens mit Bussen angereist, auffällig viele waren als Helfer des Roten Kreuzes und des Technischen Hilfswerks erkennbar. Etwa Maik Branzk vom THW Dresden. Der 52-Jährige hadert ein wenig damit, dass er sich als Ehrenamtlicher nicht ausreichend aufs Wesentliche konzentrieren könne wie der Betreuung der Flüchtlinge. „Betten könnten auch professionelle Möbelpacker aufbauen. Aber die sind wohl zu teuer.“

Das größte Problem sehen die Flüchtlingshelfer aber in der fehlenden Empathie ihrer Landsleute. Martina Müller (60) aus Flöha, die hauptberuflich bei der Volkssolidarität arbeitet und jugendliche Afghanen in einer Wohngruppe in Freiberg betreut, vermisst Offenheit und Neugier ihrer Nachbarn. Einen Mangel an Mitmenschlichkeit konstatiert Karina Süß. Die 45-Jährige arbeitet ehrenamtlich in einem Begegnungscafé in Auerbach mit Flüchtlingen. Und Annebarbara Döhler vom Christlichen Verein Junger Menschen in Niesky bemerkt: „Ich frage mich schon lange, was die Landesregierung konkret macht gegen die grassierende Fremdenfeindlichkeit?“ Bereits bei den jungen Leuten im Schülercafé am Gymnasium sei die Ablehnung spürbar. Passend zu all den Gesprächen über soziale Kältekammern in Sachsen waren die Temperaturen in der Energieverbund-Arena, dem Ort der Dankeschön-Feier. Dort, wo sonst die Dresdner Eishockeyprofis spielen, dürften es kaum mehr als 15 Grad gewesen sein.

Die Party mit Live-Musik, Breakdance, Currywurst, Pommes, Bier und Wein war seit Tagen umstritten. Der Initiator des Protestbriefes und Sprecher des Netzwerks „Dresden für alle“, Eric Hattke, forderte die Staatsregierung auf, sie möge mehr Präsenz zeigen, „wenn Menschen unsere Grundwerte und Flüchtlinge bedrohen“. Tillich solle „politischen Hetzern wie der AfD oder Politikern aus ihrer eigenen Partei entschieden entgegentreten“.

Mehrere Asylinitiativen, etwa aus Hoyerswerda, Coswig oder Meißen, hatten abgesagt. Geschlossen fern blieben fern blieben der Feier auch die Landtagsabgeordneten der Grünen. Ihr Sprecher Andreas Jahnel wollte dies als „politisches Statement“ verstanden wissen. Auch Linken-Fraktionschef Rico Gebhardt kam nicht. In Anspielung auf Tillich sagte er, nicht ein starker Staat stehe an erster Stelle, sondern eine starke Zivilgesellschaft, die der Staat schützen müsse.

Die Feier ersetzte in diesem Jahr den Neujahrsempfang des Ministerpräsidenten. Doch seit der Panne um die Einladung an Pegida-Mitorganisator Siegfried Däbritz war es um die Unbeflecktheit der Idee geschehen. Zu Tausenden hatten sich Rassisten über den Fauxpas im Internet amüsiert.