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Fassungslosigkeit nach Familiendrama

Ein Polizist hat in einer Gemeinde bei Zittau einen 23-Jährigen erschossen. Nun wird gegen den Beamten ermittelt.

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© Danilo Dittrich

Von Jan Lange

Die Nachbarn sind fassungslos. Eigentlich ist es eine ruhige Wohngegend, hier in Mittelherwigsdorf bei Zittau. Doch seit Donnerstagsmittag ist nichts mehr so wie bisher. Ein tödlicher Schuss hat die Idylle zerstört. Abgegeben wurde er von einem Polizisten. Die Kugel traf einen jungen Mann, der anschließend seinen schweren Verletzungen erlag. Der 23-Jährige soll zuvor seine Mutter angegriffen haben. Wegen des Streits wurde die Polizei gerufen.

Wie die SZ aus Polizeikreisen erfahren hat, griff der Mann die Beamten mit einem Messer an. Daraufhin schoss einer der Polizisten. Der Angreifer wurde getroffen und starb noch vor Ort.

Eine offizielle Bestätigung des Messerangriffs gibt es von der Staatsanwaltschaft Görlitz nicht. Denn die Polizisten sind derzeit noch nicht vernehmungsfähig. Wahrscheinlich werden sie erst in einigen Tagen Aussagen zum genauen Ablauf machen können. Davon geht Oberstaatsanwalt Sebastian Matthieu aus. Laut Staatsanwaltschaft seien drei Schüsse gefallen. Das wurde bei der Untersuchung der Dienstwaffe des betroffenen Polizisten festgestellt. Es sei auch eine entsprechende Anzahl von Hülsen gefunden worden, so Matthieu. Die Kugeln stammen aus einer Waffe. Welcher Schuss tödlich war und ob zuerst ein Warnschuss abgegeben wurde, werden erst die weiteren Ermittlungen zeigen.

Mutter ist nicht vernehmungsfähig

Die Staatsanwaltschaft hat insgesamt drei Ermittlungsverfahren eingeleitet, wie sie am Freitagnachmittag in einer Presseinformation mitteilte. Die Ermittlungen hat die Mordkommission der Kriminalpolizei Dresden übernommen. Gegenüber dem Verstorbenen bestehe demnach der Verdacht der vorsätzlichen Körperverletzung und Bedrohung seiner Mutter. Zudem wird wegen des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte ermittelt. Gegen den Polizisten ermittelt die Kriminalpolizei wegen Körperverletzung mit Todesfolge. Gegenstand der Ermittlungen sei vordergründig die Frage, ob der Schusswaffeneinsatz durch Notwehr gerechtfertigt war.

In den vergangenen Jahren gab es im gesamten Bundesgebiet immer wieder Fälle, bei denen Personen mit Messern auf Polizeibeamte losgegangen sind und von diesen erschossen wurden. In der Regel wurde hier eine Notwehrsituation festgestellt. Der Fall in Mittelherwigsdorf ist der bisher einzige Fall von Schusswaffengebrauch mit tödlichem Ausgang in Sachsen in diesem Jahr. 2013 bis 2015 wurde im Freistaat dreimal von der Schusswaffe gegen Personen Gebrauch gemacht. Dabei gab es vier Verletzte, aber keine Toten, so Patricia Vernhold vom sächsischen Innenministerium.

Die 47-jährige Mutter des toten Mannes, die nach SZ-Informationen im Landratsamt tätig ist, konnte sich auch noch nicht zu dem genauen Tathergang äußern. Sie ist derzeit ebenfalls nicht vernehmungsfähig. Sie wurde nach dem Vorfall in ein Krankenhaus gebracht. Die Familie des Opfers steht unter Schock und wollte sich gegenüber der SZ nicht äußern. Das Wohnhaus, in dem sich das Familiendrama abspielte, ist aufgrund der umfangreichen Tatortarbeit noch gesperrt. Der Rest der Familie – der 23-Jährige hinterlässt neben seinen Eltern noch einen älteren und einen jüngeren Bruder – konnte im benachbarten Haus der Großeltern unterkommen.

Die Leiche des 23-Jährigen wird derweil obduziert. Nach dem vorläufigen Sektionsergebnis ist er innerlich verblutet. Nun soll auch die Frage geklärt werden, ob er unter Drogen stand. Ergebnisse wird es voraussichtlich in zehn Tagen geben.

Der 23-Jährige ist der Polizei bereits bekannt. Es gebe mehrere Einträge, wie die Polizeidirektion bestätigt. Zu den genauen Taten wollte man sich aus Rücksicht auf die Hinterbliebenen nicht äußern. Es handele sich aber nicht um schwere Delikte.

In der Nachbarschaft hat man davon nichts gewusst. Der junge Mann soll auch erst seit Kurzem wieder im Elternhaus gewohnt haben.