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Wird Sachsen unregierbar?

Die CDU will nicht mit der AfD – und mit der Linken auch nicht. Die kommende Regierungsbildung in Sachsen dürfte eine knifflige Angelegenheit werden.

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© Marco Klinger

Von Thilo Alexe

Die Ansage von CDU-Landeschef Michael Kretschmer klingt eindeutig: „Eine Zusammenarbeit mit der AfD oder der Linkspartei kommt nicht infrage.“ Er reagierte damit auf die Ankündigung von Brandenburgs CDU-Chef Ingo Senftleben, der nach der kommenden Wahl sowohl mit Linken als auch der AfD sprechen will. Für Sachsens CDU-Chef ist das eine absurde Debatte. Tatsächlich aber ist es eine, der sich Ministerpräsident Kretschmer auch stellen muss – je nachdem, wie das Landtagswahlergebnis 2019 ausfällt.

Wie ist die Ausgangslage in Sachsen?

Die AfD ist in Sachsen stark. Doch dass sie stärkste Kraft bei der Bundestagswahl vor der CDU wurde, hat überrascht. Auch bei der Landtagswahl im kommenden Jahr dürfte sie zweistellig abschneiden. Die jüngste Umfrage vom Dezember sieht sie bei 23 Prozent der Stimmen. Die CDU bliebe trotz Verlusten stärkste Kraft und käme auf 33 Prozent. Für eine Koalition mit der SPD (zwölf Prozent) reichte das nicht mehr aus. Die Grünen (vier Prozent) scheiterten knapp, die FDP (sieben Prozent) zöge nach fünf Jahren Abstinenz wieder ins Parlament in Dresden ein. Sollte das so kommen, bräuchte Kretschmer einen neuen Regierungspartner. Denn ein Bündnis mit der SPD allein hätte keine Mehrheit. Möglich wäre eine Regierung, die von CDU, SPD und den Liberalen getragen wird. Rechnerisch ginge auch ein Pakt mit der AfD oder ein Bündnis mit der Linken. Doch das schließt Kretschmer aus. Sollten die Grünen den Wiedereinzug doch schaffen, ist womöglich auch ein schwarz-rot-grünes Regierungsbündnis denkbar.

Was ist das Interesse der sächsischen AfD?

Landeschef Jörg Urban macht keinen Hehl daraus, dass die AfD in die Regierung will. Dass sie, wie Urban hofft, in Sachsen erstmals den Ministerpräsidenten stellt, ist unwahrscheinlich, denn auch dazu bräuchte sie einen Koalitionspartner. Dennoch dürfte die AfD an der Regierungsbildung beteiligt sein: als starke Kraft, die verhindert werden soll. Insgeheim hofft die Partei, dass die CDU sie doch noch fragt. Da Kretschmer die AfD als größten politischen Feind der CDU bezeichnet, ist das aber unwahrscheinlich. „Die jüngsten Einlassungen von Herrn Kretschmer zeugen nur davon, dass die Nervosität gut ein Jahr vor der sächsischen Landtagswahl zunehmend um sich greift“, sagt AfD-Vizechef Siegbert Droese. Der Leipziger Bundestagsabgeordnete lobt den brandenburgischen CDU-Vorsitzenden für dessen Gesprächsofferte. Droese geht davon aus, dass Kretschmer nicht wieder Ministerpräsident wird. Daraus spricht die kaum verklausulierte AfD-Hoffnung, dass ein anderer sächsischer CDU-Chef mit der Partei sprechen könnte. Das ist unwahrscheinlich, auch wenn es in der CDU dazu andere Meinungen gibt.

Wie geht die Linke mit Kretschmers Ansage um?

Interessant sind die Zwischentöne. Landesgeschäftsführer Thomas Dudzak betont: „Wir stehen der CDU nicht als koalitionäre Mehrheitsbeschafferin zur Verfügung, sondern werden für eine starke Linke und ein Ende der CDU-Herrschaft im Freistaat kämpfen.“ Spannender ist aber der Nachsatz. Sollte keine Mehrheitskoalition zustande kommen, werde sich die Linke der „sachorientierten parlamentarischen Arbeit selbstverständlich nicht verschließen“ und sich „für eine echte legislative Demokratie stark machen“. Auch Linkenchefin Antje Feiks dachte mit Blick auf die Bundestagswahl bereits über neue Formen wie etwa wechselnde Mehrheiten nach. Wie das aussehen kann, ist offen. Doch die Linke zeigt sich bereit, im Bündnis mit anderen – womöglich auch der CDU – einzelne Entscheidungen mitzutragen. Das macht den Job des künftigen Fraktionschefs spannend. Er oder sie ist, falls diese Konstellation eintritt, gefragt, etwa bei zentralen Themen wie dem Haushalt. Oppositionsführer wäre dann ohnehin die AfD.

Was bedeutet das für SPD und Grüne?

Bleibt die SPD bei ihren bisherigen zwölf Prozent, kann sie fast schon entspannt sein. Falls in Sachsen erstmals ein Dreierbündnis regieren sollte, führt an den Sozialdemokraten kein Weg vorbei. Spannender aber eben auch nervenaufreibender ist es für die Grünen. Sollten sie den Wiedereinzug schaffen, was aufgrund der wachsenden Großstädte, in denen die Grünen starke Ergebnisse erzielen, durchaus wahrscheinlich ist, sind auch sie potenzieller Koalitionspartner für die CDU. 2014 kam es nach Sondierungen aber zu keinen Verhandlungen. Im kommenden Jahr könnte es auf die Grünen ankommen, falls ein anderes Dreierbündnis scheitert.