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Familie Turmfalke muss umziehen

Die Tiere bevorzugen als Unterschlupf und Niststätte neben Kirchtürmen auch leerstehende Gebäude. Werden diese abgerissen, muss mitunter der Staat als Umzugshelfer ran.

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© dpa

Zwickau. Normalerweise kümmert sich der sächsische Staatsbaubetrieb um Verwaltung und Bauplanung von Immobilien, die sich im Besitz des Freistaats befinden. Gelegentlich sind die Mitarbeiter aber auch Umzugshelfer für tierische Hausbewohner. In Zwickau setzte der Staatsbetrieb zuletzt Turmfalken, Mauersegler und Fledermäuse vor die Tür. Das allerdings auf die sanfte Tour, wie Sprecherin Petra Brommer betont.

Weil das ehemalige Hygieneinstitut in Zentrumsnähe ab Mai einem neuen Technikum der Westsächsischen Hochschule Zwickau weichen muss, wurden seit Februar Fassadenöffnungen verschlossen und Vogelschutznetze gespannt. Gleichzeitig habe man an einem Gebäude, das nur 85 Meter Luftlinie entfernt ist, vor Beginn der Brutzeit neue Nistkästen angebracht. „Die ersten Turmfalken haben ihr neues Zuhause Mitte April bezogen“, sagte Brommer. Umzugskosten inklusive Anfertigung für 16 neue Behausungen: Rund 8500 Euro.

„Das Thema ’Tier‘ ist in der Bauplanung und -umsetzung nicht ganz so selten wie vermutet“, ergänzt sie. Vor allem beim Abbruch von Gebäuden spiele die Umsiedlung eine Rolle. Mitunter sei die „Tierwohnung“ aber auch Teil der Baumaßnahme, wenn Niststätten gezielt erhalten werden sollen. Bestes Beispiel seien Kirchen, wo der rund 35 Zentimeter große Greifvogel ungeliebte Tauben fernhält.

So wie am Zwickauer Dom. Vom Frühsommer an soll allerdings das Holz am Kirchturm aufgearbeitet werden. Dafür muss ein Gerüst her und eine Portion Rücksichtnahme auf die Tiere, erklärt Christian Günther von der Nikolaikirchgemeinde. Für die Arbeiten bleiben demnach nur zwei enge Zeitfenster, um die Vögel nicht allzu sehr beim Brüten zu stören. „Ansonsten leben wir aber sehr friedlich miteinander“, scherzt Günther.

In enger Abstimmung mit den Naturschutzbehörden muss bei Bauarbeiten vor allem auf Turmfalken, Mauersegler, Fledermäuse, aber auch Weißstörche oder Bienen Rücksicht genommen werden, heißt es vom Staatsbaubetrieb. So verzögerten sich Arbeiten am Fasanenschlösschen Moritzburg um ganze drei Jahre. Erst nach so langer Zeit konnte eine Dachfigur installiert werden, weil ein Storchenpaar zuvor nicht geneigt war, die angestammte Dachwohnung aufzugeben und nach nebenan auf ein eigens errichtetes Wagenrad umzuziehen.

Nach Schätzungen des Naturschutzbundes leben in Sachsen zwischen 5000 und 8000 Turmfalken. Die Bestände sind laut Sprecherin Ina Ebert seit Mitte der 1980er Jahre relativ stabil. „Derzeit sind Turmfalken keine gefährdete Art. Dennoch müssen wir ihnen insbesondere in den Städten Nistplätze anbieten, damit das so bleibt.“ Besonders stark vertreten ist die zweithäufigste Falkenart demnach in Sachsens Großstädten Leipzig und Chemnitz.

Während der Brutzeit seien zudem alle Vogelarten durch das Naturschutzgesetz geschützt - daher auch die mitunter aufwendigen Maßnahmen. Im Freistaat tragen mehr als 80 Kirchen die Plakette „Lebensraum Kirchturm“, mit der die Naturschützer Kirchen auszeichnen, die seltenen Arten ein Dach über dem Kopf bieten. (dpa)