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Falscher Psychiater verjubelt Kredite

Bernd K. hat ein bewegtes Leben, doch man weiß nicht, was man glauben soll und was nicht. Nun wurde der falsche Arzt verurteilt.

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© Ronald Bonß

Von Alexander Schneider

Er ist – angeblich – diplomierter Lehrer für Sonderschulpädagogik aus Magdeburg, will drei Jahre als politischer Gefangener in Bautzen gesessen haben, weil er die Bewegung „Schwerter zu Pflugscharen“ mit gegründet habe, wurde dann – angeblich – 1987 von der Bundesrepublik freigekauft, und sei so nach Dortmund gekommen, wo er zum Rettungsassistent ausgebildet worden sei. Ab 1988 jedoch habe er in den USA gelebt und sei nach eigenen Worten für die New Yorker Feuerwehr tätig gewesen. Bis 1994 – angeblich. Dann ging’s zurück in die alte Heimat, nach Oschersleben, wo er beim Roten Kreuz als Leiter Rettungsdienst fungiert habe. Danach habe er sich als freier Dozent herumschlagen müssen, weil das Rote Kreuz 2002 bei einer Ausschreibung nicht mehr berücksichtigt worden sei und er als ehemaliger Leiter „übriggeblieben“ sei.

Holla, dieser Mann hat schon einiges erlebt, glaubt man seinen Worten. Bernd K., 61 Jahre alt, klein, etwas rundlich, mit weißem Hemd und kaum Haaren auf dem Kopf – musste sich gestern wegen einer späteren Episode seines – angeblich – derart bemerkenswerten Berufslebens vor dem Amtsgericht Dresden verantworten. Wegen Titelmissbrauchs, Urkundenfälschung und Betruges.

Laut Anklage hatte der Mann sich im Sommer 2011 als Psychiater und Psychotherapeut ausgegeben, eine entsprechende Praxis im Stadtteil Laubegast eröffnet und sich gegenüber Kontrolleuren des Dresdner Gesundheitsamtes mit gefälschten Facharzt-Urkunden und einer gefälschten Approbation ausgewiesen. Offenbar dieselben Dokumente habe er auch bei der Ärzte- und Apothekerbank vorgelegt, wo er einen Kredit über 10 000 Euro beantragt hatte – das Problem: Als die offensichtlich falschen Urkunden die Bank erreichten, hatte der Mann das Geld schon abgeräumt und seinen Dispo-Kredit von 5 000 Euro komplett ausgeschöpft. Doch damit nicht genug.

Neben den fast 15 000 Euro der Bank soll K. einen Privatkredit von weiteren 10 000 Euro vom Bruder seiner damaligen Lebensgefährtin – mit der er gemeinsam nicht nur die Praxis eröffnen, sondern auch noch drei Pflegekinder betreuen wollte, in Anspruch genommen haben.

Die 60-jährige Frau fiel aus allen Wolken, als sie gestern vor Gericht von manchen – angeblichen – Lebensstationen ihres Ex-Partners erfuhr. Er sei weder ein politischer Häftling noch in Amerika bei der Feuerwehr gewesen, sagte die Frau: „Das wüsste ich.“ Auch sie sei von ihm um ihr Lebensziel gebracht worden, sagte die Zeugin und kämpfte mit den Tränen. Einmal habe sich K. mit ihrem Auto tagelang aus dem Staub gemacht. Als er wieder da war, habe er behauptet, er sei Honorar-Therapeut in der Kurklinik Bad Salzungen in Thüringen und würde nun 11 500 Euro monatlich bekommen. Auch das eine Lüge.

Zuvor hatte K. die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft zugegeben. Er habe die falschen Dokumente im Internet recherchiert, auf einer Seite namens „Urkunden-Automat“. Warum? Das wurde er vom Gericht nicht gefragt. Immerhin – und das ist die eigentliche Überraschung – hatte der Betrüger, der heute – angeblich – nach einem Schlaganfall in einer Pflegeeinrichtung wohnt, so gut wie keine Vorstrafe.

Richter Hans Hlavka, der Vorsitzende des Schöffengerichts, verurteilte K. zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung. Die Sache sei lange her, dafür könne der Angeklagte nichts, so Hlavka. Der Staatsanwalt hatte zweieinhalb Jahre Haft, Verteidiger Friedrich-Wilhelm Salomon nur eine Geldstrafe gefordert.