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Falscher Heilpraktiker ist ein langjähriger Betrüger

Ein 42-Jähriger soll ohne Lizenz Patienten behandelt haben. Nun muss der Mann aus Lübbenau ins Gefängnis. Eine Frage bleibt jedoch offen: Warum erst jetzt?

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© Egbert Kamprath

Von Alexander Schneider

Das Schlimmste, was einem Angeklagten wohl passieren kann, ist, wenn sich in seinem laufenden Prozess überraschend weitere Geschädigte melden und ihn zusätzlich belasten. Genau das erlebte Marko P. am Donnerstag im Amtsgericht Dresden. Es ist der dritte Verhandlungstag in dem spektakulären Prozess gegen den vorbestraften Betrüger.

Marko P. ist Fernsehmechaniker aus Lübbenau, war Schöffe am Landgericht Cottbus, war im Altenberger Ortsteil Schellerhau Inhaber der Pension „Glückspilz“ und betreibt derzeit ein Gutachterbüro für forensische Ermittlungen in Zwickau. Laut Anklage hat P. ab 2009 im „Glückspilz“ auch eine Praxis als Heilpraktiker betrieben und Patienten behandelt, obwohl er mangels Prüfung dazu nicht berechtigt gewesen sei. Weiter habe er einem Ehepaar ein Mittel gegeben, von dem beiden übel wurde und sie sich erbrachen – Körperverletzung und Verstoß gegen das Heilpraktikergesetz.

Darüber hinaus habe P. sich im Juni 2012 gegenüber Dresdner Handwerkern als „ehemaliger Strafrichter“ ausgegeben und sich dafür bezahlen lassen, dass er ihnen gegenüber säumigen Auftraggebern oder dem Finanzamt hilft – Betrug.

Bereits 2010 habe der Glückspilz-Wirt den Renault Kangoo eines Geschäftspartners übernommen, das Auto aber nie bezahlt. Zur Zahlung von 3 750 Euro wurde später P.s damalige Ehefrau in einem Zivilprozess verurteilt, weil sie für das Fahrzeug unterschrieben hatte. In jenem Prozess habe P. laut Anklage gelogen, als er behauptete, er habe das Geld für das Auto bezahlt – uneidliche Falschaussage.

Als P. im Juni 2012 festgenommen wurde und drei Monate in Untersuchungshaft saß, habe er drei echte Heilpraktikerinnen bezichtigt, sie hätten keine Zulassung, damit gegen die Frauen ermittelt werden solle – falsche Verdächtigung.

Der Angeklagte und seine Verteidiger bestreiten alle Vorwürfe und forderten einen Freispruch. P. habe eine Heilpraktiker-Ausbildung besucht, aber keine Prüfung abgelegt. Er habe sich nie als solcher ausgegeben, er habe nie Patienten therapiert, in der Pension lediglich Massagen angeboten. Er sei auch nie als Richter aufgetreten. Auch das Auto habe er bezahlt. P. schilderte die Geldübergabe. Delikat ist, dass sich P. ausgerechnet mit dem ergaunerten Renault eine Verfolgungsfahrt mit einem betrunkenen Gast geliefert hatte. Dafür hatte sich P. in Medien feiern lassen. Zeugen belasteten P. und bestätigten die Vorwürfe. Eine Ermittlerin hatte Patientenakten und Behandlungspläne in der Pension sichergestellt. Am Donnerstag sagte ein 61-Jähriger, er habe sich zweimal mit P. im Dresdner Brauhaus Watzke getroffen und ihn sogar gefragt, warum er den „lukrativen Job als Strafrichter an den Nagel gehängt hat“. P. habe geantwortet, er hätte nicht mehr schlafen können, weil er Menschen ins Gefängnis habe stecken müssen. „Da wusste ich, dass da was faul war“, sagte der Zeuge.

Und dann passierte es: Oberstaatsanwalt Jens Hertel berichtete, eine Frau habe sich gemeldet, die schon 2005 von P. chiropraktisch behandelt worden sei. Als sie eine Quittung für die 500 Euro haben wollte, habe P. von einem Freundschaftspreis gesprochen, er müsste dann 3 000 Euro fordern und habe ihr mit Anwälten gedroht. Das klingt nach weiteren Ermittlungen.

P. ist mehrfach vorbestraft, saß 2002 zwei Jahre und drei Monate unter anderem wegen Körperverletzung, falscher Verdächtigung, Bedrohung, Nötigung und Waffenbesitzes in Haft. Erst 2010 wurde er in Dippoldiswalde wegen versuchten Betruges zu sechs Monaten auf Bewährung verurteilt – P. ist mehrfacher Bewährungsbrecher. Schon deshalb ist es nicht nachvollziehbar, warum dieser Prozess erst jetzt stattfindet.

Das Gericht verurteilte P. in allen Punkten zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten ohne Bewährung. „Entscheidend ist, dass der Angeklagte den Eindruck erweckt hat, Heilpraktiker zu sein, und die Tätigkeit ausgeübt hat“, sagte Richter Thomas Hassel.