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Fährtensuche ist Ehrensache

Sven ist mit Paul unterwegs, Isa mit Amy - und Sophia mit Cookie. Die Hundebesitzer suchen mit ihren Vierbeinern nach Vermissten. Rettungskräfte in Sachsen sind auf die ehrenamtlichen Helfer angewiesen.

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© dpa

Matthias Pöls

Leipzig. Paul senkt den Kopf und sprintet los. Seine Spürnase schwebt knapp über dem laubbedeckten Boden des kargen Waldes. Der Labrador mit dem schwarz glänzenden Fell sucht - nach einem vermissten Menschen. Ein paar Meter hinter ihm folgt Sven Birkigt. Rote Hose, rote Jacke, DRK-Emblem. „Heute ist es besonders schwer“, sagt der 31-Jährige. Starker Wind pfeift. Die Witterung verfliegt so auf dem Gelände des Museums im Stasi-Bunker bei Machern. „Der Hund kann bei diesen Bedingungen schwerer einschätzen, woher dieser eine Geruch kommt.“

Die Rettungshundestaffel des DRK-Kreisverbandes Leipzig trainiert an diesem Dezembertag die Flächensuche. Eines der 14 Teammitglieder hat sich auf dem Gelände versteckt.

Ob Sven mit seinem Labrador Paul, Isa mit ihrem Beagle Amy oder Sophia mit ihrem Golden Retriever Cookie: Alle Staffel-Mitglieder sind Ehrenamtler. Sie unterstützen die Polizei bis zu viermal pro Monat bei der Suche nach Vermissten, wie Staffelleiterin Katharina Beck sagt. „Es gab auch schon Einsätze zu Weihnachten, bei denen die Leute von der Gans wegmussten und raus sind zur Suche.“ In Uniform mit Dienstwagen und Hund geht es dann zum Einsatzort. Manchmal ist der vermisste Mensch suizidgefährdet. Nur bei Verbrechen, also bei Risiken für die Helfer, sind die ehrenamtlichen Rettungshundestaffeln nicht im Einsatz.

Jeder einzelne Mensch verliert rund 40 000 Hautpartikel pro Minute, jeder hinterlässt seine individuelle Spur. Nachdem Paul ein paar kleine Orientierungskreise gelaufen ist, scheint er Witterung aufgenommen zu haben. Er rennt an den grauen Baracken aus DDR-Zeiten vorbei, direkt auf einen Schuppen zu. Einmal vor, einmal zurück - und im Sprint direkt zu Hundeführer Sven. Mit einem hohen Satz springt das Tier mit den Vorderpfoten an die Hüfte seines Herrchens. „Das ist das Zeichen. Er hat etwas entdeckt.“

Paul führt seinen Hundeführer zu einem Laubhaufen. Dahinter befindet sich das gesuchte Teammitglied. Der Labrador wurde als sogenannter Rückverweiser ausgebildet: Er bellt nicht, wenn er den Gesuchten entdeckt hat, sondern zeigt dies auf leise Art. „Ob das funktioniert, kommt auf das Wesen des Hundes an“, sagt Sven Birkigt. Um das Entdecken zu belohnen, rauft er etwas mit Paul und dessen Spielzeug.

„Im echten Einsatz ist es häufig eher so, dass wir durch die Suchen ausschließen, wo ein Mensch ist“, beschreibt Birkigt. Viele Einsätze führen nicht zum Erfolg. Doch dem gelernten Einzelhandelskaufmann ist es wichtig, einem Menschen in Not helfen zu können. Zudem sei er gern draußen. „Und der Hund ist danach immer ausgeglichen und ruhig.“

Beim Training - zweimal wöchentlich - müssen Mensch und Hund intensiv und eng zusammenarbeiten. Angefangen wird ganz einfach. Der Hund sucht erst nur wenige Meter auf Sicht. Nach und nach werden die Aufgaben schwieriger. Immer mehr verlässt sich der Hund dann auf seine Spürnase. Die Ausbildung dauert bis zu drei Jahre.

Es muss also vorausgeplant werden, um als Rettungshundestaffel einsatzfähig zu sein. „Momentan suchen wir Nachwuchs“, sagt Beck. Das gelte für viele Staffeln.

In einem echten Einsatz wäre neben dem Hundeführer noch ein Suchgruppenhelfer dabei. Der ist für die Koordination mit der Polizei via Funkgerät, die Orientierung per GPS und die Erstversorgung des gefundenen Menschen zuständig. In ganz Sachsen gibt es etwa 40 geprüfte Teams unterschiedlicher Organisationen, die in den Einsatz dürfen.

Ein Team der DRK Rettungshundestaffel aus Westsachsen fand Ende November eine vermisste Seniorin bei Schmeckewitz (bei Kamenz). Die 75-Jährige war aus ihrem Heim verschwunden. An diesem Tag wehten ebenfalls heftige Windböen. Insgesamt 16 Hunde und 32 ehrenamtliche Einsatzkräfte suchten bis tief in die Nacht. Die Seniorin war unterkühlt, aber unverletzt.

Solche Erfolge sind das Gesprächsthema bei den 14 Ehrenamtlern, die an diesem Dezembertag am Training teilnehmen. „Etwa drei- bis viermal im Jahr sind solche Suchen erfolgreich“, berichtet Beck.

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