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Ex-Manager verliert Prozess

Das Oberverwaltungsgericht lehnt einen Maulkorb für einen Pressesprecher ab. Anwalt Thomas Giesen plant eine Klage vor dem Verfassungsgericht.

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© Archivfoto: SZ/Jürgen Lösel

Von Karin Schlottmann

Dresden. Den Mann, den er vor Gericht vertritt, kenne er persönlich gar nicht. Sein Mandant habe Straftaten begangen, aber auf Sympathie komme es nun einmal nicht an. Rechtsanwalt Thomas Giesen, einst sächsischer Datenschutzbeauftragter, ist etwas anderes viel wichtiger. Ihm geht es wieder einmal um Datenschutz, das heißt, Datenschutz, wie er ihn versteht. Früher kämpfte Giesen auf politischer Ebene für seine strenge Position, heute zieht er sich seine Anwaltsrobe an und streitet vor den Gerichten.

Seine Mission, den Auskunftsanspruch der Medien gegenüber der Staatsanwaltschaft drastisch zu beschneiden, ist allerdings vorerst gescheitert. Das Oberverwaltungsgericht hat am Dienstag seine Klage gegen die Generalstaatsanwaltschaft Dresden zurückgewiesen. Die Behörde hatte einem Radiosender und einer Zeitung im September 2015 Auskunft über den geplanten Beginn einer Gefängnisstrafe des Klägers gegeben. Auf Anfrage bestätigte der Pressesprecher damals, dass der Verurteilte schriftlich aufgefordert worden sei, innerhalb von vier Wochen den Rest seiner Haftstrafe anzutreten. Wann und wo er in Haft gehen müsse, sagte der Sprecher nicht.

Der Kläger war früher Geschäftsführer eines kommunalen Versorgungsbetriebes in Leipzig. Wegen Bestechlichkeit, Untreue und Steuerhinterziehung hatte ein Gericht ihn zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, die er nur zum Teil verbüßen musste. Er war verantwortlich für einen der spektakulärsten Wirtschaftskrimis in Sachsen. Noch heute, fast zehn Jahre später, droht der Stadt Leipzig der finanzielle Ruin durch die riskanten, unübersichtlichen und kriminellen Deals des Klägers.

Giesen hatte argumentiert, dass Medien grundsätzlich keinen Anspruch auf Informationen seitens der Staatsanwaltschaften hätten. Artikel 5 des Grundgesetzes verbiete staatliche Zensur, gewähre aber keine sonstigen Privilegien. Wenn Journalisten wissen wollten, ob ein Straftäter seine Haftstrafe angetreten habe oder nicht, müssten sie ihn eben selbst fragen, schlug Giesen mit gespielter Naivität vor.

Oberstaatsanwalt Till Pietzcker, der die Generalstaatsanwaltschaft in dem Verfahren vertritt, verteidigte das Vorgehen seiner Behörde und verwies auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts über Öffentlichkeit und Strafverfahren. „Die Bürger müssen wissen, was passiert da eigentlich?“ Die Auskunft zum bevorstehenden Haftantritt nach dem aufsehenerregenden Strafprozess sei außerdem verglichen mit der intensiven Berichterstattung über den gesamten Fall relativ unbedeutend. Die Behörde habe keine weiteren Details aus der Privatsphäre genannt. Pietzcker: „Es wäre absurd, wenn wir diese Frage nicht hätten beantworten dürfen.“

Der 3. Senat des Oberverwaltungsgerichts gab ihm recht und entschied, dass das sächsische Datenschutzgesetz neben Pressegesetz und Rundfunkstaatsvertrag nicht einschlägig sei. Die Rechtslage sei in Sachsen nicht anders zu bewerten als in anderen Bundesländern. Das öffentliche Interesse an der Information über diesen Fall sei höher zu bewerten als das private Interesse des Klägers an deren Geheimhaltung, sagte der Vorsitzende Richter Georg Freiherr von Welck. Giesen kündigte schon vor der Urteilsverkündung an, er werde den Fall „bis zum Ende treiben“. Nächste Station wäre das Landesverfassungsgericht.

Der Skandal um die Leipziger Wasserwerke hat bis heute nichts von seiner Brisanz verloren. Am Dienstag, dem Tag der Verhandlung in Bautzen, hatten die Medien wieder einmal Anlass, über den Fall zu berichten. Während der verantwortliche Ex-Geschäftsführer längst seine Freiheit genießt, kämpft die Stadt Leipzig vor einem Berufungsgericht in London ums finanzielle Überleben. Die Großbank UBS hat die Stadt auf Schadenersatz verklagt. Der Prozess ist eine Spätfolge des riskanten Kreditversicherungsdeals, den der korrupte Chef der Wasserwerke eingegangen war. Leipzig droht nun ein Schaden von etwa 500 Millionen Euro.