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EU-Ausnahme für Meissen?

In der Diskussion um hohe Bleiwerte in Porzellanfarben kündigt sich ein Kompromiss an.

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© Claudia Hübschmann

Von Peter Anderson

Meißen. Schriftstücke der EU-Kommission lesen sich immer ein bisschen, als hätte sie ein automatisches Übersetzungsprogramm erstellt. Nicht anders ist das mit dem Schreiben, welches Anfang dieser Woche auf dem Tisch der für die Linke im Europa-Parlament sitzenden Abgeordneten Cornelia Ernst landete.

Der entscheidende Satz findet sich am Ende. Dort heißt es: Abgesehen von strengeren Grenzwerten für den Bleigehalt von Porzellanfarben „werden auch andere Maßnahmen, wie die Kennzeichnung und Ausnahmeregelungen für kulturell wertvolle Produkte, in Erwägung gezogen.“ Heißt übersetzt: Die EU-Kommission wäre unter Umständen bereit, für einen Traditionsbetrieb wie die Staatliche Porzellan-Manufaktur Meissen bei der Bleihaltigkeit von Aufglasurfarben ein Auge zuzudrücken.

Das Kompromissangebot kommt nicht von ungefähr. Ende August hatten sich die vier sächsischen EU-Abgeordneten besorgt an die EU-Kommission gewandt. Cornelia Ernst (Die Linke), Peter Jahr (CDU), Constanze Krehl (SPD) und Hermann Winkler (CDU) befürchten, dass eine neue Richtlinie die traditionelle Aufglasurmalerei der Manufaktur Meissen bedrohen könnte.

So soll das überarbeitete Regelwerk extrem niedrige Grenzwerte für Schwermetalle wie Blei und Cadmium definieren. Hiervon könnte Meissen betroffen sein, da einige seiner seit rund 300 Jahren verwendeten Farben die Vorgaben um ein Vielfaches überschreiten. Unter ein Verbot fallen dürften insbesondere Dekore des 18. Jahrhunderts, wie die bekannte leuchtend grüne Watteau-Malerei.

Trinkwasser-Grenzwerte angepeilt

Vor diesem Hintergrund wollten die Abgeordneten von der Kommission wissen, welche neuen Grenzwerte bei Blei und Cadmium angestrebt werden. Unter Federführung von Cornelia Ernst erkundigten sie sich danach, welche Alternativen möglich wären. Ein dritter Fragekomplex beschäftigte sich mit dem Thema, welche Gesundheitsschäden genau den Nutzern von mit Bleifarben gestalteten Geschirren drohen. Dies ist insofern interessant, da nach aktuellen Erkenntnissen lediglich lang gelagerte und sehr saure Speisen die Schwermetalle aus den Farben lösen können.

In ihrer Antwort erklärt die EU-Kommission, dass Wissenschaftler in ihrem Auftrag bewerten, welche Risiken von Blei und Cadmium in Lebensmitteln für die menschliche Gesundheit ausgehen. Die Forscher seien zu dem Schluss gekommen, dass die geltenden Normen zu lax ausfallen. Ausgehend von den geltenden Grenzwerten für Trinkwasser, die bei fünf bis zehn Mikrogramm pro Kilogramm liegen, würden neue Höchstgrenzen für keramische Materialien geprüft.

Wann mit einem Ergebnis zu rechnen sein könnte, ist dem Schreiben nicht zu entnehmen. Sollten die bislang für Trinkwasser festgelegten Obergrenzen künftig auch für Keramik- und Porzellanhersteller gelten, würde dies das Aus für die besonders farbenfrohe Aufglasurmalerei bedeuten. Vor allem ohne Blei sind diese nach Angaben der Manufaktur in bisheriger Qualität nicht herstellbar.

Gegen diese rigiden Regeln kämpfen mittlerweile mehrere EU-Abgeordnete aus Ländern mit betroffenen Traditionsherstellern. Hinzu kommen Proteste der Branchenverbände. Als eine mögliche Lösung in dem Streit wird allgemein für Warnhinweise beim Verkauf von Geschirr mit Aufglasurmalerei plädiert. Die Verbraucher könnten auf diese Weise über Gesundheitsgefahren aufgeklärt werden. Mit diesem Kompromiss scheint sich nun auch die EU-Kommission anzufreunden.

Nach Auskunft von Manufaktur-Sprecherin Sandra Jäschke pflege das Unternehmen in der Blei-Sache ständigen Kontakt mit der Staatsregierung sowie der Bundesregierung. Gemeinsam mit weiteren betroffenen Betrieben habe Meissen zudem erneut an den zuständigen EU-Kommissar geschrieben. Als ebenfalls sehr aktiv erweise sich das Bundesland Bayern.

Die in München produzierende Königliche Porzellan Manufaktur Nymphenburg hätte gleichfalls unter rigideren Vorgaben zu leiden. EU-Parlamentarierin Cornelia Ernst rät, mit dem Druck nicht nachzulassen und auf Ausnahmen für kulturell wertvolle Produkte zu drängen. „Schließlich kaufen die wenigsten Meissener Porzellan, um davon tagtäglich zu essen“, so Cornelia Ernst.