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„Es gibt für jeden die perfekte Droge“

Im Heisenberg-Gymnasium erzählt ein Ex-Junkie von Crystal, Sex und seinem Wandel.

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© Sebastian Schultz

Von Jana Richter

Riesa. Dominik Forster steht vor Schülern der Jahrgangsstufe acht im Werner-Heisenberg-Gymnasium – nicht hinter dem Lehrerpult, sondern auf dem Tisch. Noch vor acht Jahren wäre das undenkbar gewesen. Damals war er drogenabhängig, wurde selbst zum Dealer und fand sich mit Anfang 20 im Gefängnis wieder. Damit das den jugendlichen Zuhörern nicht passiert, macht Forster nun Drogenprävention. Auch wenn er dieses Wort selbst für „totalen Schwachsinn“ hält.

Dominik Forster ist 29 Jahre alt, wohnt mit seiner Freundin in Süddeutschland und ist seit sieben Jahren clean. Seit vier Jahren rührt er auch keinen Alkohol mehr an. Mit 20 Jahren hätte er sich das wahrscheinlich nicht einmal in seinen kühnsten Träumen vorstellen können. „Ich habe mit 17 Jahren angefangen, Drogen zu nehmen. Ich dachte, ich hätte alles unter Kontrolle, habe Partys gefeiert und Bitches geknallt.“ – Sex gehabt, würden andere sagen. Wie viele noch folgende Sätze sorgt diese Aussage für Lacher bei den Vierzehnjährigen. Aber er möchte seinen jungen Zuhörern auch die unschöne Wahrheit seines damaligen Lebens vor Augen halten. „Ich war ein Dealer, ein Krimineller. Ich habe mit dem Verkauf von Crystal Meth bis zu 3 000 Euro verdient. Oftmals habe ich die Drogen an Jugendliche auf Schulhöfen verkauft, ich habe ja nie nach dem Ausweis gefragt“, erzählt Forster, der einer Einladung der Lions nach Riesa gefolgt ist.

Er hatte zwar viel Geld, aber es war kein sauberes Geld. Eine Traumwohnung konnte er sich auf jeden Fall nicht kaufen. Also wohnte er mit einer Prostituierten und anderen Süchtigen in einer verschimmelten Bude. Über das alles redet er sehr locker, sagt den Schülern aber auch, dass dieser Zustand nicht lustig war. „Mit 21 Jahren stand ich im Badezimmer und versuchte, mir imaginäre Käfer aus meiner Haut zu schneiden“, erzählt er über typische Symptome Crystal-Meth-Abhängiger. „Ich nahm jeden Tag etwa fünf Gramm Speed, ein Gramm Koks und ein Gramm Crystal. Joints, Kippen und Ecstasy gingen nebenbei.“ Sein Drogenkonsum war längst außer Kontrolle geraten – wenn er ihn denn jemals unter Kontrolle hatte. Er war tagelang wach, sein Rekord lag bei dreizehn Tagen. Da der menschliche Körper nicht für solche Wachphasen geschaffen ist, setzte bei ihm Paranoia ein. „Ich sah ständig so einen riesigen Kerl und ich dachte, der will mich umbringen“, sagt Forster. Nach zwei Jahren war er in einem Zustand, in dem er alle zehn Minuten Drogen konsumierte. Seine Mundhöhle, seine Zähne und seine Organe waren angegriffen. Aber wie alle Süchtigen dachte er, mit weiterem Konsum werde das schon alles wieder. Bis heute leidet er an den Folgen.

„Niemand, der anfängt Drogen zu nehmen, tut das mit dem Ziel, abhängig zu werden.“ Bei Dominik Forster fingen die Probleme schon lange vor den Drogen an. „Bis zu meinem 13. Lebensjahr war ich echt cool. Aber dann bin ich an eine andere Schule gekommen, an eine Hauptschule. Ich war nicht dumm, aber ich habe den Sinn des Lernens nicht gesehen“, erzählt Forster. Als er an die neue Schule kam, erlebte er etwas, das er auch später im Gefängnis erleben sollte. „Die erste Minute entscheidet alles. Wenn du beim Eintreten zeigst, dass du Angst hast, hast du es versaut. Dann wissen alle, dass sie mit dir machen können, was sie wollen“, sagt Dominik Forster. Die nächsten vier Jahre lang würde er das Mobbingopfer in seiner Klasse sein und keinen Ausweg finden. Nach seiner Schulzeit lernte er neue Freunde auf einer Jugendreise kennen und merkte, dass er mit Lügen weiter im Leben kommt als mit der Wahrheit.

Er fing an zu rauchen, ging dann zum Trinken und Kiffen über. Dann war der Schritt zu den härteren Drogen auch nicht mehr weit weg. „Es gibt keine Einstiegsdroge – jede Droge ist gefährlich! Egal, ob legal oder illegal, gekauft oder vom Arzt verschrieben. Süchtig kann man immer werden“, weiß Dominik Forster. Er erklärt den Schülern, dass jede Droge eine Funktion hat, es für alles und jeden die perfekte Droge gibt. Dominik Forster ist einer der wenigen, die es geschafft haben, ihr Leben umzukrempeln. Er hat seine große Liebe gefunden, ein Buch geschrieben, das Wandern als Leidenschaft für sich entdeckt und hat bei seinen Besuchen an Schulen viel Spaß. Nur einen Job hat er noch nicht gefunden. Das und die Familiengründung gehört zu seinen großen Träumen.

Von den Schülern verabschiedet er sich mit den Worten: „Ihr müsst eure eigenen Erfahrungen machen, davon will ich euch nicht abbringen. Aber ich möchte verhindern, dass ihr in diesen Kreislauf geratet, den ich erlebt habe. Ihr sollt erwachsen werden und zufrieden mit eurem Leben sein. Ich bin es jetzt.“