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Erzgebirge auf dem Weg zum Welterbe - letzter Schliff für Antrag

Mit 800 Jahren Bergbau will das Erzgebirge Weltkulturerbe werden. Momentan läuft die Feinarbeit am überarbeiteten Antrag, um im zweiten Anlauf den Titel zu holen. In der Zwischenzeit bringen internationale Freiwillige zwei potenzielle Welterbe-Objekte auf Vordermann.

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© dpa

Claudia Drescher

Halsbrücke/Annaberg-Buchholz. Mit einer Wasserwaage misst Katerina Kuklova nach, ob die grob gehauene Steinplatte gerade ist. Doch noch immer fehlen wenige Millimeter. Gemeinsam mit Andrea Pulisci aus Italien schiebt die Tschechin geduldig weiter feinen Splitt unter den Stein, bis dieser endlich in Waage liegt. „Ich habe noch nie einen Boden verlegt, aber jetzt habe ich es gelernt“, sagt die 32-Jährige während einer kurzen Verschnaufpause.

Gemeinsam mit 13 weiteren Freiwilligen aus mehr als zehn Ländern hilft sie bei der Instandsetzung eines Schachthauses in Halsbrücke (Landkreis Mittelsachsen). Organisiert wird das Workcamp von der Organisation „European Heritage Volunteers“ mit Sitz im thüringischen Weimar. Das 7. Lichtloch, an dem die überwiegend jungen Leute mithelfen, ist einer von acht dieser Schachtzugänge des sogenannten Rothschönburger Stollens.

Das 50 Kilometer lange Stollensystem diente dazu, die Gruben im Freiberger Revier mit Frischluft zu versorgen und zu entwässern. Das technische Denkmal in Halsbrücke ist Bestandteil des Welterbe-Antrags. „In der Regel kommen die Freiwilligen bei schon bestehenden Welterbe-Stätten zum Einsatz, das hier ist sozusagen ein Pilotprojekt“, erklärt Helmut Albrecht.

Und vielleicht ein gutes Omen. Denn der Leiter der Welterbe-Projektgruppe an der Technischen Universität Freiberg arbeitet bereits seit 17 Jahren mit daran, dass das Erzgebirge Unesco-Weltkulturerbe wird. Wenn im zweiten Anlauf alles glatt geht, könnte die „Montane Kulturlandschaft Erzgebirge/Kru?nohorí“ im Sommer 2019 den Titel bekommen.

Die Region ist einer von aktuell zehn deutschen Vorschlägen, über die die Unesco in den kommenden Jahren entscheiden wird. Derzeit gibt es 1073 Welterbe-Stätten in 167 Ländern, 42 davon in der Bundesrepublik. Damit sich das Erzgebirge zukünftig auf Augenhöhe mit dem Kölner Dom, dem Muskauer Park oder dem Wattenmehr wiederfindet, wurde der erste Antrag von 2014 im vergangenen Frühjahr auf Empfehlung von Experten zurückgenommen.

Der Internationale Denkmalrat (Icomos) hatte der Region geraten, das Projekt zu straffen, sich auf den Erzbergbau zu konzentrieren und die Einmaligkeit des Erzgebirges noch besser herauszuarbeiten, erklärt Matthias Lißke von der Wirtschaftsförderung Erzgebirge. Gemeinsam mit denen der tschechischen Partner stehen nun 22 Bestandteile im Antrag. Vorher waren es allein auf sächsischer Seite knapp 80. „Die Bewerbung ist deutlich kompakter, übersichtlicher und auch kürzer“, erklärt Lißke. Statt bislang mehr als 1400 Seiten soll der zweite Antrag Ende September mit unter 1000 Seiten zur Vorprüfung in Paris eingereicht werden.

Darüber hinaus werden 18 Objekte, die der Überarbeitung weichen mussten, als assoziierte Stätten geführt. Damit seien sie zwar nicht mehr Bestandteil des Antrags, aber weiter in das Projekt eingebunden. Nach Einschätzung von Icomos sei das Erzgebirge welterbewürdig, sagt Lißke. „Daraus schöpfen wir die Hoffnung, dass es dieses Mal klappt.“ Der Welterbe-Titel wäre ein Riesensprung für das Image der Region. „Wenn wir den Titel haben, spielen wir in einer anderen Liga.“

Bis bei der Unesco eine Entscheidung getroffen wird - der Antrag muss bis zum 1. Februar 2018 eingereicht werden - tragen Katerina Kuklova und ihre Mitstreiter die Welterbe-Idee weiter. Nach ihrem zweiwöchigen Einsatz im Erzgebirge geht es für die Ingenieurin weiter nach Thüringen. Was sie aus Halsbrücke mitnimmt: Deutsche Vokabeln wie „Schubkarre“ sowie Bergbau-Traditionen und Bräuche, die die Freiwilligen bei einem Begleitprogramm kennenlernen konnten. „Damit versteht man erst die Magie eines Ortes, den man so sonst nie gesehen hätte“, meint Mariana Martinho aus Portugal, die es im Anschluss nach Kroatien weiterzieht.

Aktuell sind europaweit rund 300 Teilnehmer aus aller Welt in 20 Projekten engagiert, sagt Bert Ludwig, Geschäftsführer von „European Heritage Volunteers“. Die Liste der Freiwilligen reiche von einem 65-jährigen Architekten aus Frankreich bis zu einem Mittdreißiger aus Taiwan, der die Idee der Denkmal-Freiwilligenarbeit nach diesem Sommer in seine Heimat exportieren wolle. Seit Bestehen zählte das Programm demnach knapp 2000 Freiwillige aus 67 Ländern. (dpa)