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Erregung über „Dildo-Geisterbahn“

Der Görlitzer Familienbeauftragte Eugen Böhler kritisiert die Liebes-Schau auf dem Marienplatz scharf. Andere sehen sie gelassen.

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© Pawel Sosnowski/80studio.net

Von Matthias Klaus

Görlitz. Der Görlitzer Familienbeauftragte Eugen Böhler ist offensichtlich so richtig verärgert. „Staunend, beschämt oder verärgert“, habe man eine Woche lang erleben und lernen können, „was heute sexuell so ,normal’ zu sein scheint“. Als „Dildo-Geisterbahn“ bezeichnet Eugen Böhler die Schau der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung – und das ist noch eine der harmlosen Formulierungen seines Schreibens an die SZ.

Der Familienbeauftragte der Stadt ist sauer über die dort angebotene „logische und einzige Lösungskette: erstens Kondom, zweitens Antibiotikum“ – und das auch schon bei Jugendlichen ab 14 Jahren. „Dafür werden Steuergelder benutzt, um Kinder zu konditionieren, demoralisieren, sie zu manipulieren?“, fragt Eugen Böhler. Und: „Angesichts der zunehmenden sexuellen Verrohung und steigenden sexuellen Missbrauchsfällen in der Gesellschaft, die in tiefen körperlichen und seelischen Verletzungen münden und kaum heilbar sind, soll dies die staatliche Lösung sein? Das ist eine pervertierte Frechheit.“ Eine präventive Gesundheitsaufklärung sieht Eugen Böhler in der Schau nicht. „Hier handelt es sich eher um eine plumpe, plakative und ideologische Abrissbirne, die , alte’ Moral- und Wertevorstellungen abreißt“, schreibt er.

Die Ausstellung der Bundeszentrale war bis zum vergangenen Sonnabend auf dem Marienplatz zu Gast. Die Stadt Görlitz gab dafür eine Sondergenehmigung für den Platz, das Landratsamt war für das Organisatorische zuständig. Görlitz war der erste Halt der neuen Schau der Bundeszentrale. Zur Eröffnung sprachen unter anderem Landrats-Beigeordnete Martina Weber und der Amtsarzt des Kreises, Christoph Ziesch. Als Hintergrund für die deutschlandweite Tour nennt die Bundeszentrale, dass sexuell übertragbare Infektionen, Geschlechtskrankheiten, bundesweit wieder auf dem Vormarsch sind.

Astrid Bartsch ist Lehrerin am Augustum-Annen-Gymnasium. Sie hatte die Ausstellung im Rahmen des Ethik-Unterrichts mit einer neunten Klasse besucht. „Die Schau hat den Schülern gut gefallen“, sagt sie. Astrid Bartsch selbst sieht die Ausstellung als sehr gelungen an. „Sie hieß nicht nur einfach interaktiv, sondern war es auch“, sagt die Lehrerin. Anderthalb Stunden konnten die Schüler die Schau auf eigene Faust durchstreifen, entdecken. Bevor es losging, gab es eine Gesprächsrunde, am Ende ebenso. „Für Jugendliche war die Ausstellung absolut ansprechend. Sie sind mit großem Ernst durchgegangen, haben sich informiert“, sagt Astrid Bartsch. Jugendliche dieses Alters, so die Lehrerin, seien aufgeklärt, deshalb war die Schau inhaltlich auch angemessen, sagt sie. Heute wird die Ausstellung noch einmal Thema im Unterricht sein, das Gesehene und Erlebte besprochen werden.

Im Görlitzer Rathaus versucht man sich inzwischen an Relativierung. „Fachlich ist die Ausstellung methodisch vielfältig, inhaltlich sind Liebe, Gefühle, Grenzen, Intimität und Treue aus Sicht unserer Gleichstellungsbeauftragten und auch seitens des städtischen Beauftragten für Kinder, Jugend und Familie kaum präsent“, teilt Stadt-Sprecher Wulf Stibenz auf SZ-Anfrage mit. Und weiter: „Der Spaßfaktor war bei dieser Ausstellung vordergründig. Zu diskutieren ist, ob andere Werte durch diese Fokus zu kurz kamen.“ Gleiches gelte für den genutzten Jargon mit Blick auf die Vorbildwirkung für Jugendliche und die Reduktion auf den zweifellos wichtigen Schutz vor Krankheiten. „Die Rückmeldungen von älteren Schülern sind laut unserer Kenntnis eher positiv“, so Stadtsprecher Wulf Stibenz. Auszuwerten bleibe, ob auch bei jüngeren Menschen das vermittelte Bild des Zwischenmenschlichen ausführlich genug dargestellt und erklärt wurde. Romy Wiesner, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt und Familienbeauftragter Eugen Böhler werden die Ausstellung auf dem Marienplatz mit der Bundeszentrale auswerten, heißt es aus dem Görlitzer Rathaus. Festzuhalten bleibe vorerst, dass die Ausstellung provoziert und damit Aufmerksamkeit auf ein wichtiges Gesundheitsthema lenkt, so der Stadtsprecher.

Der Familienbeauftragte der Stadt Görlitz formuliert es derweil so: „Es ist an der Zeit, dass die Eltern sich wieder mutiger trauen, selbst ihre Kinder auf ein vernünftiges Leben vorzubereiten und aufzuklären, das kann der Staat allein nicht leisten, das hat er mit dieser Kampagne eindrucksvoll bewiesen.“