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Entsorgt auf dem Dachboden

Eine 26-Jährige soll in Dohna ihr Neugeborenes sich selbst überlassen haben. Nun steht sie vor Gericht.

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© ronaldbonss.com

Von Maren Soehring

Lange dunkelbraune Haare, ein fransig geschnittener Pony, ein schmales, freundliches Gesicht. Rein äußerlich macht Susanne B. einen gepflegten, zugewandten Eindruck. Auch die Wohnung in Dohna bei Heidenau, in der sie mit ihrem Lebensgefährten und drei kleinen Kindern lebte, war aufgeräumt und sauber. Doch im Inneren der gelernten Verkäuferin muss es in den letzten Jahren sehr düster ausgesehen haben.

Seit Montag steht Susanne B. vor der Schwurgerichtskammer des Dresdener Landgerichts. Sie soll am 26. März vergangenen Jahres ein lebendes Mädchen zur Welt gebracht und sich nach der Geburt nicht um den Säugling gekümmert haben. Laut der Anklage, die Oberstaatsanwalt Andreas Feron zu Prozessbeginn verliest, hatte sie das Kind allein in der Badewanne entbunden und zunächst im Wasser liegengelassen. Später hob sie es aus der Wanne und wickelte es in Tücher. Danach verstaute sie das Bündel in einer roten Sporttasche und versteckte diese auf dem Dachboden des Mehrfamilienhauses.

Susanne B. habe den Tod des Kindes billigend in Kauf genommen und sich wegen Totschlags durch Unterlassen strafbar gemacht, sagt Oberstaatsanwalt Feron. Entdeckt wurde die Babyleiche fünf Tage später, nachdem eine Mitarbeiterin des Kindergartens aufmerksam geworden war. Susanne B. hatte dort deutlich schlanker als kurz zuvor ihren Sohn abgegeben, aber niemals über eine Schwangerschaft oder Geburt berichtet. Die Erzieherin alarmierte das Jugendamt in Pirna, die Mitarbeiter dort schickten eine Meldung an die Polizei. Am 31. März rückten die Beamten aus.

Sie fanden Susanne B. bei ihrer Mutter, die nur wenige Häuser weiter wohnt, brachten sie zurück in ihre Wohnung und konfrontierten sie mit den Vorwürfen. Zunächst habe B. behauptet, in der Badewanne eine Fehlgeburt gehabt und diese in den Abfluss gespült zu haben. „Kurz darauf berichtete sie von dem Baby in der Tasche auf dem Dachboden“, sagt eine Polizeibeamtin im Zeugenstand. Eine Untersuchung bestätigte später die Schwangerschaft. Susanne B. wurde festgenommen und sitzt seit Anfang April in Untersuchungshaft. Ihre drei Kinder sind inzwischen sechs, zwei und ein Jahr alt. Sie wurden gemeinsam in einem Heim untergebracht.

Zu Prozessbeginn äußert sich Susanne B. rund zweieinhalb Stunden zu den Vorwürfen und ihrem persönlichen Werdegang. Ihre Aussage findet auf Antrag ihrer Verteidigerin Marina Meissner hinter verschlossenen Türen statt. Da sowohl intime Details aus ihrem Leben, ihre Sexualkontakte als auch die Drogenproblematik zur Sprache kämen, überwiege der Schutz der Privatsphäre der Angeklagten in diesem Fall das Interesse der Öffentlichkeit, sagt die Vorsitzende Richterin Birgit Wiegand.

Im Anschluss werden drei Polizisten gehört, die damals zuerst vor Ort waren und auch die Wohnung von B. durchsuchten. Als ein Beamter von der Wohnung mit Doppelstockbett und Kinderspielzeug berichtet, fängt B. erstmals an zu weinen. Als seine Kollegin schildert, dass auch diverse Schreiben vom Jugendamt gefunden wurden – darin wurde sie aufgefordert, einen Gynäkologen zu konsultieren – zeigt sie keine Regung. Kontakt zum Jugendamt gab es schon länger, Möglichkeiten zum Einschreiten scheinbar rechtlich nicht.

Am Rande des Prozesses wurde bekannt, dass Susanne B. massiv Drogen, vor allem Crystal konsumierte. Auch das Neugeborene wies große, eventuell sogar tödliche Konzentrationen der Substanz im Blut auf. Zwei Gerichtsmediziner sollen dazu noch Stellung nehmen: Unter optimalen Bedingungen in einer Uni-Klinik haben Kinder von Crystal-Konsumentinnen gute Überlebenschancen. Susanne B. war aber trotz Aufforderung vom Jugendamt wohl bei keinem Arzt. Drogenkonsum in der Schwangerschaft ist an sich nicht strafbar. Ob ihr Baby bei einer fürsorglichen Behandlung eine Chance gehabt hätte, ist nun eine weitere Frage für das Gericht. Ein Urteil soll Mitte März fallen.