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Endloser Streit in Sohland

Vom Hobby eines Rentnerpaares fühlt sich eine Nachbarfamilie in Sohland gestört. Alle Schlichtungsversuche sind gescheitert.

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© Pawel Sosnowski

Sohland a.R.. Schon wieder Dorfgespräch in Sohland zu sein, ärgert Gitta Hennig und ihren Lebensgefährten Klaus Heydemann sehr. Wie ihnen zu Ohren gekommen ist, hat ein Nachbar, mit dem sie sich seit über zehn Jahren in heftigen Auseinandersetzungen befinden, verbreitet, sie dürften ihre Modellflieger nun nicht mehr aufsteigen lassen und müssten ins Gefängnis.

Dahinter steckt ein erbitterter Streit. Die Vorfälle, von denen die resolute Sohländerin erzählt, hören sich unglaublich an. Von Handgreiflichkeiten und anderen Übergriffen, Zerstörungen, Beschimpfungen und Bedrohungen ist die Rede. Das Rentnerpaar fühlt sich zermürbt durch die Vorkommnisse. Es lebe in Angst und habe das Vertrauen in jegliche Instanzen verloren, weil Ermittlungen und Verfahren im Sande verlaufen sind. Besonders Frau Hennig will sich damit nicht abfinden.

Die Streitigkeiten zwischen den beiden Familien in Sohland sind der Polizei seit 2006 hinlänglich bekannt, sagt Sprecher Thomas Knaup in Görlitz. Es habe etliche wechselseitige Anzeigen gegeben. In nicht wenigen Fällen handelte es sich um zivilrechtlich begründete Sachverhalte. Sie hätten bei einem gesunden Verhältnis zwischen erwachsenen Menschen im Gespräch miteinander geklärt werden können, sagt die Polizei. Doch eben das hat überhaupt nicht funktioniert. Beide Parteien sehen sich selbst im Recht und sind augenscheinlich nicht gewillt, auch nur einen Schritt aufeinander zuzugehen, sagt der Polizeisprecher.

Doch wie konnte es zu dieser derart festgefahrenen Situation kommen? Gitta Hennig und ihr Lebensgefährte gehen der Modellfliegerei schon seit vielen Jahren nach. Das fordert ihnen Konzentration ab, bringt Bewegung an der frischen Luft und gemeinsame Freude mit anderen Mitstreitern. Von einer Wiese unweit ihres Grundstücks lassen sie die Modelle aufsteigen. Klaus Heydemann baut vieles selbst. Die Wiese gehört der Agrargenossenschaft in Sohland und darf von den Modellfliegern genutzt werden.

Nach der Luftverkehrsverordnung gibt es dafür keine Einschränkungen. Denn die unbemannten Modelle, so wie sie Gitta Hennig und ihr Mann verwenden, wiegen weniger als fünf Kilogramm. Da sie weder mit Raketentriebwerk noch Verbrennungsmotor fliegen, sondern mit Elektroantrieb, dürfen die in Sichtweite gesteuerten Flieger ohne Erlaubnis aufsteigen.

Davon muss sich das Ehepaar S., das etwa 50 Meter von der Wiese entfernt auf einem freistehenden Gehöft wohnt, zunehmend gestört gefühlt haben. Das geht auch aus einer Anzeige hervor, die das Paar im Juli 2015 bei der Polizei erstattet hat. Es sah sich durch die Geräuschkulisse in seinem körperlichen Wohlbefinden beeinträchtigt. Auf SZ-Anfrage reagiert das Rentnerpaar nicht. Ein anderer älterer Modellflieger bestätigt die Situation. Bei einer kleinen Ausstellung von Modellen auf der Wiese am Rande eines Festes in Sohland sei Herr S. aus seinem Auto ausgestiegen und habe mit einer Eisenstange gedroht, sollten die Modelle wieder aufsteigen, erinnert er sich. Frau Hennig berichtet von mehreren tätlichen Übergriffen in der Vergangenheit. Für die meisten davon gibt es keine Zeugen oder Beweise. So stand oftmals Aussage gegen Aussage im Raum. Insofern ist es auch nicht ungewöhnlich, wenn Ermittlungen und Verfahren ergebnislos eingestellt werden. Das zu akzeptieren, fällt Frau Hennig sehr schwer. Zumal auch ihr Mann angegriffen wurde. Die Polizei bestätigt einen Vorfall, bei dem Herr Heydemann von Herrn S. getreten wurde, als er ein notgelandetes Modellflugzeug bergen wollte. Die Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen dennoch eingestellt, weil sie keinen genügenden Anlass zur Erhebung einer öffentlichen Klage geboten hätten.

In Sohland hat es in der Vergangenheit aber auch Konflikte zwischen dem Ehepaar S. und anderen Dorfbewohnern gegeben. Das wird auf Nachfrage so bestätigt. Die Familie würde Streitereien gern selbst provozieren und sei dann nicht zu einem Einlenken bereit, erzählt eine Sohländerin. Andere betroffene Einwohner berichten, dass sie dem Ehepaar S. aus dem Weg gehen, beziehungsweise keinen Anlass bieten würden, um Ärger zu vermeiden. Auch die Reichenbacher Bürgermeisterin Carina Dittrich war in ihrer Zeit als Friedensrichterin in der Verwaltungsgemeinschaft in einige Vorfälle involviert. Die Polizeidienststelle in Niesky war vor mehreren Jahren auf sie zugekommen, weil es immer wieder die bereits erwähnten Anzeigen gegeben hatte. Zu gemeinsamen Schlichtungsterminen bei der Friedensrichterin und zu einem Mediationsverfahren, das vom Gericht angeregt worden war, ist das Ehepaar S. aber nicht erschienen.

Warum, darüber kann man nur mutmaßen, denn es äußert sich dazu nicht. Andererseits schließt sich das Paar nicht völlig aus dem Dorfgeschehen aus. Es war bei der Bürgerrunde zum Dorfumbauplan dabei und bei anderen Aktionen.

Lässt sich so ein Konflikt überhaupt noch lösen? Aus polizeilicher Sicht müssen alle Beteiligten gesprächsbereit und gewillt sein, ein gutes nachbarschaftliches Verhältnis wieder herzustellen, sagt Sprecher Thomas Knaup. Wenn man ein freundliches Verhältnis zu seinen Nachbarn unterhält, sich grüßt und miteinander redet, so sei es auch im Problemfall leichter, unliebsame Themen zu klären.

Als neutrale Vermittler können auch Mediatoren hinzugezogen werden. Es gibt Friedensrichter, Rechtsanwälte und Psychologen, die diese Aufgabe wahrnehmen. Betroffene können sich an die Polizei oder das zuständige Ordnungsamt wenden. In den Landkreisen Bautzen und Görlitz sind hier besonders die Bürgerpolizisten einer jeden Gemeinde Ansprechpartner. Das alles hat dennoch im oben geschilderten Konflikt nicht geholfen.